Es sollte ein ganz normaler Samstag in Würzburg sein. Wir, junge Reporter der „Tagespost“, wollen einen Einblick in die christlichen Arbeitsbereiche in der Stadt erhalten und besuchen deshalb die Wärmestube. Doch der Besuch nimmt eine dramatische Wendung und endet beinahe mit einem Polizeieinsatz. Ein Obdachloser, der bereits Hausverbot bekommen hat, versucht dennoch, sich Zutritt zu verschaffen.
Die Wärmestube Würzburg, die von der Caritas und Diakonie getragen wird, ist eine Anlaufstelle für wohnungslose Menschen. In der Rüdigerstraße 2 erhalten circa 40 Obdachlose fast täglich frisches Essen, Getränke und die Möglichkeit zu duschen und Wäsche zu waschen. Mit Hilfe von Barbara Leim, die die Einrichtung vorübergehend leitet, wird die heikle Situation diplomatisch gelöst. Dennoch kann sie nicht verhindern, dass sich einige Obdachlose gegenseitig anpöbeln und eine Tür beschädigen.
„Eine Schande, dass Menschen hier so leben müssen"
Das große Elend dieser Einrichtung erinnert an einen anderen Ort, der jedem bekannt ist, der schon einmal auf einem Bahnhof in einer deutschen Großstadt war. Mit dieser Form des Leides sind immer mehr Menschen in Deutschland konfrontiert. Rund 600.000 Menschen sind derzeit in Deutschland wohnungslos, davon 50.000 komplett ohne Unterkunft. Nach den aktuellen Statistiken steigt die Zahl der Wohnungslosen derzeit sogar um ganze 58 Prozent. Leim kommentiert diesen besorgniserregenden Trend: „Für ein so reiches Land wie Deutschland ist es eine Schande, dass Menschen hier so leben müssen.“
Obdachlose Menschen in Deutschland leiden häufig unter gesundheitlichen Problemen, medizinischer Unterversorgung und haben oft keinen regelmäßigen Zugang zu Lebensmitteln. Neben der körperlichen Belastung erfahren sie soziale Ausgrenzung und psychischen Stress. Jugendliche und Frauen sind dabei besonders gefährdet. Strukturell fehlt es überall an bezahlbarem Wohnraum und geeigneten Hilfsangeboten.
Die Hauptamtliche, die bereits vor ihrer Arbeit in der Wärmestube in der Bahnhofsmission Erfahrungen mit Obdachlosen gesammelt hat, sieht ihre jetzige Tätigkeit als Herausforderung: „Die Bahnhofsmission ist im Vergleich zur Wärmestube ein Erholungsheim.“
Die Menschen kämpfen ums nackte Überleben
Zunächst macht die Einrichtung einen bedrückenden Eindruck. Einige laufen mit gesenktem Kopf und leerem Blick durch den Raum. Andere wirken verwirrt. Einer der Obdachlosen steht in seinem Zigarettenqualm vor der Eingangstür und kommentiert einen anderen Obdachlosen mit den Worten „Mit dem kann man nicht reden. Er redet nur wirres Zeug“. Viele Menschen mit mentalen Problemen werden hier versorgt: „Obdachlosigkeit entsteht oft aus psychischen Erkrankungen, Trennungen, Krankheiten und einer völligen Überforderung im Leben“, erklärt Leim die Gründe für die scheinbar aussichtslosen Situationen dieser Menschen. „Die Leute kämpfen hier ums nackte Überleben“, macht sie deutlich.

Leim erzählt auch von einem besonderen Fall, der sie selbst sehr bewegt hat. Ein Mann hatte aufgrund mangelnder Hygiene und extremer Vernachlässigung seines eigenen Körpers offene Wunden, in denen sich bereits Maden und Schmeißfliegen gebildet hatten. Durch die tägliche Fußpflege und Wundversorgung in der Wärmestube konnte er sich aus seiner hoffnungslosen Lage befreien und eine Wohnung finden.
Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, dass kein Schicksal hoffnungslos ist. Gerade für Christen mit stetem Gottvertrauen. Als wir die Hauptamtliche auf die Geschichte vom armen Lazarus, der mittellos und unbeachtet an der Türschwelle eines reichen Mannes stirbt, aufmerksam machen und die caritative Arbeit der Wärmestube als christliches Werk hervorheben, ist sie ganz überrascht. Diese Geschichte kenne sie noch nicht.
Eine Hoffnung, die über das irdische Leben hinausgeht
Lazarus hatte eine Hoffnung, die über das irdische Leben hinausgeht. Oft scheint das Leben der Obdachlosen, die die Einrichtung aufsuchen, hoffnungslos verloren zu sein. Doch sogar in der größten Not gibt es einen Lichtblick, denn Gottes Barmherzigkeit ist grenzenlos. Hier, in der Wärmestube, begegnen die Obdachlosen Gottes Barmherzigkeit in Form der physischen Hilfe und Grundversorgung durch Haupt- und Ehrenamtliche. Auch Leim sind christliche Werte wichtig.
Sie hatte vor kurzem ein ähnliches Erlebnis in ihrem persönlichen Umfeld, an dem sie fast verzweifelt wäre. Heute sagt sie: „Danke, dass es mir so gut geht!“ Den Tränen nahe erzählt sie, dass ihre Enkelin in einer ernsthaft lebensbedrohlichen Situation war und sie die Rettung als Geschenk Gottes empfindet. Heute geht sie mit ihrer Enkelin in die Kirche und erzählt ihr von Jesus im Tabernakel. Auch ihre Arbeit in der Wärmestube versucht sie mit dem Gebet zu begleiten, damit Gott in das Leben der Obdachlosen genauso eingreift, wie er es auch bei der Enkeltochter getan hat.
Die Arbeit in der Wärmestube folgt, ob intendiert oder nicht, dem urchristlichen Prinzip der Caritas, die in der katholischen Tradition auch die „Mutter aller Tugenden“ genannt wird. Die Caritas, die man als Freundschaft zwischen Mensch und Gott verstehen kann, ist stark von der Liebe zum Nächsten geprägt.
Menschen, wie die Obdachlosen, für die sonst keiner mehr da ist oder mit denen niemand mehr etwas zu tun haben möchte, weil sie zu ungepflegt sind oder keinen sozialen Status haben, eine Anlaufstelle zu bieten, ist ein wahres Beispiel für christliche Nächstenliebe.
Für das Seelenheil der Menschen sorgen
In der Wärmestube wird nicht nur für die leibliche Not, sondern auch für das Seelenheil der Menschen gesorgt. Mit Seelenheil ist die Erlösung der Seele des Menschen in der Gemeinschaft mit Gott im Himmel gemeint. Kleine Taschenbibeln liegen in der Einrichtung für alle bereit, die sich mit der Offenbarung Gottes vertraut machen wollen.
Damit fügt sich die Wärmestube in die Tradition der katholischen Orden ein, die sich bereits seit Jahrhunderten um die Armen kümmerten. Sie verstanden die Armenfürsorge als Gottesdienst und erkannten in den Notleidenden Christus selbst. Die leibliche Hilfe diente der Sühne und Heiligung mit dem Ziel, das Seelenheil aller Menschen zu fördern.
Um den Obdachlosen weiterhin helfen zu können, ist die Einrichtung auf regelmäßige Spenden angewiesen. Als nächste Investition plant Heim die Anschaffung einer neuen Küche für rund 20.000 Euro. Dafür fehlen jedoch derzeit noch die Mittel. Wer sich im Kreis der Ehrenamtlichen engagieren möchte, kann sich an den Christophorus-Verein wenden, der die Wärmestube betreibt.
Für uns endet der Tag mit einem tieferen Verständnis der tätigen Nächstenliebe und dem Wunsch, dass es immer mehr Menschen in Deutschland gebe, die den armen Lazarus nicht auf der Straße sterben lassen, sondern ihn in das Haus aufnehmen, ihm die Wunden waschen und ihm zu essen geben.
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