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Der lange Weg zum Kreuz

Ihre Ehe scheitert, ihr Sohn stirbt mit 19 Jahren. Melanie Oetting findet mit Gott wieder ans Licht, wie sie in ihrem autobiographischen Buch beschreibt.
Holzkreuz
Foto: Imago/Elke Hötzel | Das Kreuz als Zeichen christlicher Hoffnung, von dem auch Melanie Oetting immer wieder berichtet.

Gott hat meinen Schmerz vergoldet“ erzählt die Lebensgeschichte von Melanie Oetting (Jahrgang 1974) im Detail: Im Chiemgau wächst sie mit zwei älteren Geschwistern und ihrem Zwillingsbruder bei ihrem protestantischen Vater und ihrer katholischen Mutter auf. Die Familie ist wohlhabend, doch es fehlt an Liebe und Zuspruch. In der Schule kommt sie inhaltlich schlecht mit und bei den Mitschülern nicht gut an. Das bessert sich erst in der Oberstufe nach einem Schulwechsel. Mit dem Weltjugendtag in Santiago de Compostela beginnt ihr intensiver Glaubensweg. Nach der Schule macht sie in Wien eine Ausbildung zur Krankenschwester, die sie für eine sechsmonatige Probezeit in einem kontemplativen Kloster unterbricht und schließlich in München fortsetzt. Dort lernt sie ihren Mann kennen, der wie sie leidenschaftlich gern wandert. Sie heiraten jung und bekommen vier Kinder.

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In der Ehe mangelt es an Kommunikation, sodass die beiden sich nach und nach auseinanderleben. Nach einem Verkehrsunfall schwebt ihr Mann acht Wochen lang zwischen Leben und Tod. Melanie hilft ihm, gesund zu werden. Durch diese Krise fällt sie auf Gott zurück, der im Familienalltag in Vergessenheit geraten war. Sie erhofft eine Rettung ihrer Ehe. Das Gegenteil tritt ein: Wenig später, nachdem die beiden gerade erst in Starnberg ein Haus gebaut haben, folgt die Scheidung. Später wird die Ehe annulliert. Ihr Mann heiratet erneut. Melanie trägt ihr Glaube. Sie besucht Seminare, auch im freikirchlichen Bereich, und Exerzitien. Dann schenkt Gott ihr die Vision „dein Haus soll ein Haus des Gebetes sein“ und sie gründet das Netzwerk „FamilyHomes“: In ihrem Haus gibt es einen Gebetsraum und einen Gästetrakt, in denen Menschen zu Gast sein dürfen, die sich nach einer Auszeit mit Gebet, Stille, Gemeinschaft und Familienanschluss sehnen. Bald entstehen weitere Niederlassungen des Netzwerks.

Ein frischer Horizont

2023 verunglückt ihr 19-jähriger Sohn Severin tödlich. Melanies Leben ist erneut zutiefst erschüttert. „Du warst so schön und dein Gesichtsausdruck friedlich und glatt. Ich sah keine Angst und keinen Schmerz, das war unheimlich tröstlich für mich“, beschreibt sie den Leichnam ihres Sohnes in einem ihm gewidmeten Auszug. Aus dem Schmerz gründet sie „YoungHomes“: eine Initiative, die junge Gläubige weltweit vernetzt, die gerne reisen und so gegenseitig beieinander unterkommen können.

Die Autorin lässt den Leser in ihr Innenleben blicken: „Aufgelöst stellte ich mich zu Beginn den Seminarteilnehmern vor. Tränenströme kullerten meine Wangen hinab, denn ich war gebrochen, zerbrochen und orientierungslos“, beschreibt sie an einer Stelle ihre Erfahrungen in einem freikirchlichen Seminar, und wie dieses sie aufgebaut hat: „Nach Hause zurückgekehrt, stellte ich tatsächlich fest, dass ich neu aufgerichtet und gestärkt war. Vor mir erstrahlte nun ein frischer Horizont mit Konturen und Perspektive. Ängste und negative Gedanken füllten nicht länger mein neues Sein.“ Immer mehr prägen im Laufe ihres Lebens eine tägliche persönliche Gebetszeit und die Bibellesung ihren Alltag.

Mutige und tapfere Frau

Melanie scheut das Neue nicht: Sie probiert ein Kloster aus, wohnt auf der Insel Martinique, dann in Berlin und Köln, später auf einem verwaisten Bauernhof im Rheinland. Nach dem Tod ihres Sohnes reist sie in die Wildnis Kirgistans und gräbt am Unfallort ein Kreuz ein. Sie trifft die Hirtenfamilie, die in den Tod ihres Sohnes verwickelt war, kommt für das dabei verlorene Pferd auf und bittet im Namen ihres Sohnes um Entschuldigung. Für „FamilyHomes“ fliegt sie bis in die USA, um es dort bekannt zu machen. Mittlerweile hat das Netzwerk dort und auch in Kirgistan jeweils eine Niederlassung. Sie beweist sich als mutige, tapfere und tatkräftige Frau mit Tiefe. Dass sie ihre Kinder hingebungsvoll liebt, macht sie im Buch immer wieder deutlich.

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Das Buch ist eine Einladung, in Melanie Oettings Leben einzutauchen und sich durch ihre Erfahrungen im Glauben – „es gibt keine Sicherheit im Leben außer in Gott“ – stärken zu lassen. Sie beschreibt, wie sie durch den Schmerz tiefer zu Gott und zu sich selbst findet und wie aus Schmerz, Trauer und Verletzung Hoffnung entsteht. Melanie berichtet ausführlich von ihrer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst – durch Therapie und Gebet. Sie erzählt, wie Gott ihr Herz erneuert.

Die erzählten Gebetserhörungen aus ihrem Leben ermutigen den Leser, Gott die eigenen Anliegen vorzutragen. An einer Stelle beschreibt sie, wie ihr das Geld für eine Renovierungsarbeit ausgeht. Sie fleht zu Gott um Hilfe. Prompt erreicht sie auf dem Handy eine Anfrage, ob sie ihre Kontonummer für eine Zuwendung durchgeben könnte.

Verbindung mit einem Gemälde

Sie sieht einen starken Zusammenhang zwischen ihrem Leben und dem Gemälde „Gott tröstet“ der Künstlerin Veronica von Degenfeld. Ursprünglich war es für das Marienheiligtum in Kevelaer angefertigt worden. Es zeigt die Gottesmutter mit Kind und einen weißen Reiter, der an das Buch der Offenbarung angelehnt ist. Darüber sind die Konturen von Jesus am Kreuz angedeutet. Seit Severins Tod erbat Melanie ein Zeichen dafür, dass ihr Sohn im Himmel sei. Das Bild schenkt ihr die Gewissheit dazu. Den ersten Pinselstrich setzte die Künstlerin am Todestag Severins. Die Pfarrgemeinde hat das Bild Melanie mittlerweile überlassen.

Melanie Oetting, Gott hat meinen Schmerz vergoldet – Wie ich nach großen Verlusten zu neuem Leben fand, Basel: Fontis, 2025, 179 Seiten, gebunden, EUR 22,90

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