Haben Sie sich einmal gefragt, ob an dieser ganzen Sache mit Jesus Christus wirklich etwas dran ist? Vielleicht klingt diese Frage seltsam. Wenn Sie ein treuer „Tagespost“-Leser sind, gehe ich davon aus, dass Sie für sich diese Frage schon längst geklärt haben: Natürlich stimmt das alles, das mit Jesus und so. Aber glauben Sie wirklich daran?
Missionar
In der Schule hatte ich einen Kollegen, der Mitglied in einer evangelischen Freikirche ist. Er selbst war ein ruhiger und entspannter Typ, sein Vater dagegen war – um es einmal nett zu formulieren – von Herzen missionarisch, so sehr, dass es manchmal schon unangenehm war. Einmal saß ich während eines Klassenausflugs mit Eltern mit diesem Mann gemeinsam in einem Auto und er erzählte allen Insassen unaufgefordert, wie er einmal eine Diskussion mit einem Atheisten hatte. „Und dann habe ich zu ihm gesagt“, beendete der Vater meines Freundes seine Geschichte, „wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass es Gott gar nicht gibt, dann habe ich zumindest ein gutes und anständiges Leben geführt.“
Dann holte er, vermutlich um die Spannung zu erhöhen, kurz Luft und fügte mit erhobener Stimme an: „Wenn sich dann aber herausstellt, dass es Gott doch gibt, dann, mein Freund“ – und auf einmal zeigte er mit dem Finger auf mich und, obwohl ich gar nicht der Adressat seiner Worte war, spürte ich, wie seine Blicken mich durchbohrten – „dann, mein Freund, bist du im Arsch!“ (Ich weiß, dass ich das letzte Wort umformulieren könnte, allerdings lehrt mich erstens mein Glaube, dass ich nicht lügen soll und zweitens verbietet es mir mein journalistisches Ethos. ein wortwörtliches Zitat zu verfälschen…)
Dann seid ihr am A...
Ich muss auch heute noch oft an seine Worte denken. Manchmal sitze ich in einer lustigen Runde und irgendwann klopft mir irgendwer mit einer Mischung aus Mitleid und Belustigung kumpelhaft auf die Schulter und sagt, dass er mein Engagement für die Kirche ja irgendwie „bemerkenswert“ finde, und überhaupt, die ganzen sozialen Dienstleistungen unseres Vereins, die seien aus der Gesellschaft ja nicht mehr wegzudenken, da sei es auch kein Problem, wenn ich gemeinsam mit einem Club von alten Betschwestern noch ein paar Ave-Marias hinterher schmettere…
Diese Art der paternalistischen, gutmütig-herablassenden „Würdigung“ nervt mich. In solchen Momenten habe ich Verständnis für den Vater meines Schulfreundes. Wie verführerisch wäre es, mitten am Tisch aufzuspringen, wie ein alttestamentlicher Prophet theatralisch die Kleider zu zerreißen und auszurufen: „Wehe euch! Was ist, wenn doch etwas dran ist? Dann seid ihr im A…!“
Die Frage stellen
Da ich aber erstens gut erzogen bin und zweitens äußerst ungern neue Klamotten shoppen gehe, bleibe ich meistens sitzen und zerreiße auch nicht meine Kleider.
Es ist kein schönes Gefühl, eine Art „letzter Mohikaner“ zu sein, der Besuch von Safari-Touristen bekommt, die dann belustigt Fotos von seinem Reservat machen und arrogant „das Traditionelle an sich“ loben, während sie hinter hervorgehaltener Hand über die empfundene „Rückständigkeit“ die Nase rümpfen.
Ich bin zwar überzeugt, dass Gleichgültigkeit viel schlimmer ist als Spott, aber oft ist das nur ein Trost. Das Gefühl der Demütigung bleibt. Dennoch versuche ich diese Momente wie eine TÜV-Prüfung für meinen Glauben zu nehmen. Einmal alles durchchecken, bitte: Glaube ich wirklich oder spiele ich nur eine Rolle? Ist das alles nur Verkleidung? Renne ich einer Idee hinterher oder vertraue ich darauf, dass Gott tatsächlich Mensch wurde? Was ist, wenn da wirklich etwas dran ist? An dieser Frage hängt alles. Ich finde es wichtig, sie zu stellen. Versuchen Sie es mal! Doch erschrecken Sie nicht, wenn Gott tatsächlich antwortet.
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