Wir brauchen „heilige Männer und Frauen, die das Evangelium aus der Tiefe leben – und deshalb anders sind als das, was die Gesellschaft durchschnittlich als Lebensmodelle anbietet“: dieser Meinung ist der Passauer Bischof Stefan Oster. In einem vergangene Woche erschienenen Interview mit dem christlichen Magazin „Aufatmen“ sagte Oster, dafür seien „Biotope“ nötig: „Sozialformen, Gemeinschaftsformen von Kirche, in denen der Glaube und Christus wirklich die prägende Mitte sind“.
Oster, der die Begegnung der Menschen mit dem Auferstandenen als sein Herzensanliegen bezeichnete, verwies dabei auf die freikirchlichen Glaubensgeschwister, von denen Katholiken etwas über die Themen „persönliche Christusbeziehung“ und „Jüngerschaft“ lernen könnten. Beides seien „kaum Themen eines volkskirchlich geprägten Katholizismus. Aber sie sind überaus wichtig“, konstatierte Oster.
Es gibt kaum noch ein religiöses Mindset
Überhaupt wüssten viele Menschen unter 45 Jahren kaum noch etwas mit der Volkskirche und deren Traditionen, Festen und Bräuchen anzufangen. Oster sprach von einem kulturellen Gedächtnis christlicher Überlieferung, das vielfach entleert sei. Es gebe kaum noch ein religiöses Mindset. Und der Weg zum „Umdenken“ , ein „Sehen-lernen der Wirklichkeit in einem biblischen oder wenigstens von einem Kulturchristentum geprägten Deutungshorizont“, sei ein langer.
Zumal sich viele heutzutage im Netz verlören, das mit seinem „unendlichen Wissen, unendlicher Information und oft sogar unendlicher Bedürfnisbefriedigung“ ein „Zug in die Transzendenz“ sei; oder vielmehr einer Pseudotranszendenz, die nicht nur „Neugier und ihr Belohnungssystem süchtig mache“, sondern wie unter anderem Individualisierung, Materialismus, eine bestimmte Art von Wissenschaftsgläubigkeit, technologische Revolutionen einen „dramatischen Beschleunigungsfaktor der Entkonfessionalisierung“ darstelle.
„Wird der Menschensohn noch Glauben auf der Erde finden...?“
Zwar gebe es viele Aufbrüche, auch in seinem Bistum. Jedoch lasse sich dadurch die „generelle Entkirchlichung und Entkonfessionalisierung“ nicht aufhalten. Zudem funktioniere Evangelisierung nicht „ohne so etwas wie Bekehrung oder auch ohne die Intensivierung der persönlichen Christusbeziehung im Gebet“. Diese jedoch lasse sich „natürlich auch nicht einfach verordnen“, was dazu führe, dass die „Widerstände gegen Impulse der Evangelisierung eher von innen kommen als von außen“. Und das ist „schon ernüchternd“. „Denken Sie an die Frage des Herrn“, so der Bischof weiter: „Wird der Menschensohn noch Glauben auf der Erde finden, wenn er wiederkommt?“
Letztendlich gehe es im Glauben immer um dieselbe Frage, die Christus Petrus gestellt habe und die er „zugleich an uns alle richtet: ,Liebst du mich?‘“ Und mit C.S. Lewis sagte er: „Wenn der Glaube an den Auferstandenen nicht wahr ist, ist er überhaupt nicht wichtig. Dann lassen wir das Ganze. Wenn er aber wahr ist, dann ist er buchstäblich unendlich wichtig!“
Es mache ihn zutiefst dankbar, wenn er erleben dürfe, „dass Menschen dem Herrn begegnen und dann auch noch erfahren, dass ihr Leben dadurch tiefer wird, froher, sinnvoller, erfüllter und freier“. Wörtlich fragte Oster: „Wenn ich mich von der Liebe wirklich berühren lasse, kann ich dann einfach bleiben, wie ich bin?“ DT/dsc
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