Herr Erzbischof, Sie sind jetzt gute drei Monate im Amt. Wie finden Sie sich in Ihrer neuen Rolle zurecht?
Ich würde sagen, der Übergang war geschmeidig, denn schließlich war ich schon über ein Jahr Administrator im Erzbistum Bamberg und daher in viele Fragen eingearbeitet. Gleichzeitig merke ich, dass die terminlichen Herausforderungen zunehmen. Was die Rolle eines Diözesanbischofs betrifft, so fordert mir diese nach wie vor hohen Respekt ab. Ich bin froh und dankbar, dass ich viele gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an meiner Seite weiß.
Was bedeutet es für Sie, Hirte zu sein?
Hirtendienst bedeutet für mich, Zeit, Kraft, Geduld aufzubringen für die Menschen, die mir anvertraut sind. Es ist wichtig, auf die Menschen zuzugehen, ihre Anliegen und Fragen aufzunehmen und so gut es geht Orientierung zu geben. Zum Bild eines Hirten gehört für mich auch, die Ruhe zu bewahren, selbst wenn eine Situation kritisch wird.
Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie, dass Ihnen der Dienst an der Einheit der Kirche am Herzen liegt. Wie kann Ihrer Meinung nach Einheit funktionieren, wenn Katholiken so unterschiedliche Auffassungen von Kirche haben?
Die Einheit ist deshalb eine Aufgabe, weil wir Menschen so unterschiedlich sind. Das ist nicht neu. Im Verlauf der Kirchengeschichte gab es schon immer sehr unterschiedliche Auffassungen davon, was Kirche ist und wie das Leben in ihr gestaltet werden soll. Und es gab die Suche nach Mindeststandards, die erfüllt sein müssen, damit man als Kirche leben und auch nach außen sichtbar und erkennbar sein kann. Dafür braucht es viele Gespräche, ein intensives Ringen auf der Suche nach der Wahrheit, und vor allem den entschlossenen Willen, beieinander zu bleiben oder wieder zueinander zu finden. Wer sich mit der Spaltung der Kirche abfindet, der befindet sich nicht mehr auf dem Weg Jesu Christi.
Papst Franziskus hat die Synodalität in der Kirche angestoßen, bei der es viel um das Hören aufeinander, aber auch auf den Geist Gottes geht — etwas, das in der Kirche bekanntermaßen etwas verlorengegangen ist und neu gelernt werden muss. Das braucht Zeit. Wie wollen Sie Synodalität in Ihrem Bistum leben?
Es ist mir wichtig, vor Entscheidungen gut zuzuhören, die Argumente abzuwägen und möglichst viele auf dem Weg mitzunehmen. Das braucht, wie Sie richtig bemerkt haben, Zeit, die viele nicht haben, weshalb sie dann oft eine rasche Klärung fordern. Einsame Entscheidungen sind nicht mein Ding. Wir haben Gremien auf diözesaner Ebene, in den Seelsorgebereichen und Pfarreien, Räte mit beratender Funktion und Finanzgremien mit Entscheidungsbefugnissen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir auf diözesaner Ebene noch mehr in der Planung und Koordination von anstehenden Aufgaben miteinander ins Gespräch kommen.
Wie konkret – braucht es neue Gremien?
Zum Beispiel im Rahmen einer Pastoralklausur. Ich bin noch nicht davon überzeugt, dass es dafür neue Gremien braucht, aber sicher noch mehr Kommunikation – und natürlich Zeit. Vor allem müssen wir die spirituelle Dimension von Synodalität stärken.
Was verstehen Sie darunter?
Unter der spirituellen Dimension von Synodalität verstehe ich die feste Überzeugung, dass der Herr durch seinen Geist die Kirche führt und dass es viel Sinn macht, immer wieder still zu werden und miteinander auf das zu hören, was Gottes Geist uns heute sagen will.
Immer wieder wurde gesagt, der Reformprozess in Deutschland befinde sich in Puncto „Synodalität“ im Einklang mit dem Papst. Wie sehen Sie das?
Papst Franziskus hat eine Weltsynode über einen Zeitraum von zwei Jahren angestoßen, um genau diese Frage zu klären: Wie ist Synodalität in der Kirche heute zu verstehen und zu leben? Wie werden wir eine synodale Kirche? Wenn das schon so klar wäre, warum braucht es dann einen solchen aufwändigen Prozess? Viele haben positive Impulse aus der Weltsynode nach Hause gebracht, und dabei stach vor allem die Zeit hervor, die sich alle nahmen, um zu hören, was gesagt wurde und was der Geist Gottes uns sagen will.
Ich möchte behaupten, dass wir auf dem Synodalen Weg in Deutschland, sicher mühsam und nicht formvollendet, Fortschritte in Puncto Synodalität gemacht haben und immer noch machen. Zur Synodalität gehört schließlich auch das Hören auf die Stimme der Weltkirche und des kirchlichen Lehramtes. Durch die Einbindung der römischen Dikasterien in die Gespräche wird nun auch dieser wichtige Aspekt berücksichtigt. Von daher meine ich schon, dass wir uns immer mehr in Einklang mit dem Heiligen Vater bewegen.
Sie waren im Juni bei der zweiten Sitzung des Synodalen Ausschusses. Da hat der Kirchenrechtler Anuth anderen Kanonisten (Hallermann, Lüdecke) Recht gegeben in Ausführungen, die dem Synodalen Ausschuss eine fehlende kirchenrechtliche Grundlage attestieren. Wie bewerten Sie deren Argumentation?
Ich kann mich nicht entsinnen, dass Professor Anuth sich überhaupt zur Berechtigung des Synodalen Ausschusses geäußert hat. Er hat vielmehr klar die Möglichkeiten und Grenzen eines, wie auch immer gearteten, synodalen Gremiums für die Kirche in Deutschland benannt. Ich war sehr dankbar für seine Ausführungen, weil sie uns bei der Ausarbeitung eines solchen synodalen Gremiums helfen können. Genau das ist eine der Aufgaben des Synodalen Ausschusses. Ich bin durchaus auch hoffnungsvoll, dass uns das mit einigem guten Willen von allen Seiten gelingen kann.
Es soll dort auch um Beschlüsse des Synodalen Weges gegen. Welche der Beschlüsse möchten Sie in Ihrem Erzbistum umsetzen?
Ich sehe im Moment keinen akuten Bedarf, im Erzbistum Bamberg etwas umzusetzen. Auf mittelfristige Sicht würde ich mich gerne mit dem Diözesanrat, dem Priesterrat und der Konferenz der Leitenden Pfarrer sowie der Ordinariatskonferenz darüber vereinbaren, an welchen Stellen konkrete Änderungen der bisherigen Praxis nötig sind und angegangen werden müssen. Dabei werden auch die Beschlüsse des Synodalen Weges und vor allem die Ergebnisse des Unabhängigen Gutachtens zum Umgang mit sexueller Gewalt eine wichtige Rolle spielen.
Der Synodale Weg spricht immer wieder von Strukturveränderung in Zusammenhang mit Erneuerung der Kirche. Was bedeutet kirchliche Erneuerung für Sie?
Ich bin überzeugt, dass eine Erneuerung kirchlichen Lebens nur gelingen kann, wenn das geistliche Leben gestärkt wird, wenn möglichst viele Menschen in der Verbindung mit Gott und in der Gemeinschaft der Glaubenden Halt und Geborgenheit erfahren dürfen. Darum möchte ich gerne alles fördern, was dieser geistlichen Erneuerung dient und was beim Aufbau von Gemeinschaft nützlich ist. Daher bin ich Papst Franziskus sehr dankbar für seine Initiative, dieses Jahr der Vorbereitung auf das Heilige Jahr besonders dem Gebet zu widmen.
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