Offene Briefe, Stellungnahmen, Ultimaten: Nach einem Vorfall während der Christmette im Freiburger Dom an Heiligabend hat sich inzwischen ein aufsehenerregender Schlagabtausch zwischen Mitgliedern der Freiburger Domchöre und der Erzdiözese um die Entlassung des Domkapellmeisters Boris Böhmann entwickelt.
Was war geschehen? Bei der von Erzbischof Stefan Burger zelebrierten Christmette im Dom hatten die Besucher gegen Ende des Gottesdienstes nach einem Lied der Domsingknaben rund fünf Minuten lang lauten Beifall gespendet. Burger hatte Medienberichten zufolge nach mehreren Minuten versucht, den Beifall durch ein „lasset uns beten“ zu unterbrechen. Die Liveübertragung durch den katholischen Fernsehsender K-TV wurde während des Beifalls unterbrochen, auf Youtube wurde die Zeile „Wir bitten Sie um Verständnis, dass aufgrund mutwilliger Störung des Gottesdienstes die Übertragung nicht fortgesetzt werden kann“ eingeblendet. Mittlerweile ist klar, dass der Abbruch der Übertragung von der Erzdiözese ausgelöst wurde, die den Stream bereitstellte.
War es „mutwillige Störung“?
Die zitierte Einordnung als „mutwillige Störung“ ist es, die nun Gegenstand einer Debatte geworden ist, ebenso wie die schon seit längerem bekannte Demission des Domkapellmeisters und das Management des Konflikts durch die Erzdiözese. Die Entlassung war Grund für Mitglieder der von ihm geleiteten Chöre, vor dem Gottesdienst Flyer zu verteilen. Auf diesen wurde auf eine Online-Petition vom 5. Dezember verwiesen, die den Verbleib Böhmanns fordert, und mittlerweile über 2600 Unterschriften hat. Die Gründe für die Kündigung des langjährigen Domkapellmeisters waren von der Erzdiözese nicht öffentlich dargelegt worden, „aufgrund von Daten- und Persönlichkeitsschutz“, wie es in einer Pressemitteilung des Domfabrikfonds, des Trägers der Dommusik, heißt. Die Gründe für die Kündigung zum Ende Februar 2025 waren demzufolge auch Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Um Missbrauch oder übergriffiges Verhalten sei es dabei aber nicht gegangen, sondern um „Dissonanzen“, berichtete bereits im November der SWR unter Berufung auf die Erzdiözese.
Die Eskalation rund um Weihnachten wird vonseiten der Erzdiözese und der aufbegehrenden Chormitglieder nun unterschiedlich bewertet: In der bereits zitierten Stellungnahme des Domfabrikfonds heißt es, die „wiederholte Störung von Gottesdiensten an Heiligabend und Weihnachten“ sei für Proteste „keinesfalls eine geeignete Form“, Konflikte ließen sich nicht auf diese Weise lösen. Auf der Website der Domkantorei, auf der auch die Petition verlinkt ist, heißt es hingegen, der Eklat habe im unnötigen Abbruch des Streams und der Intervention des Erzbischofs bestanden. Die Besucher hätten Böhmann „Anerkennung für die Musik und ihre Solidarität“ gezollt. Auch habe es „keine Tumulte oder Aggressionen“ gegeben, sondern lediglich „Beifall für eine kaum zu überbietende musikalische Begleitung der Christmette“ und die „großartigen musikalischen und pädagogischen Leistungen“ Böhmanns. Eine Interpretation, die nun auch der Kirchenmusiker selbst zu unterstützen scheint. So berichtete am Freitag „Focus Online“ über eine erste Stellungnahme von Böhmanns Anwalt. In dieser heißt es, dem Domkapellmeister sei „von den Protestaktionen aus der Gemeinde am Ende der Christmette und des Pontifikalamtes am Folgetag nichts bekannt“ gewesen. Er betone aber, „dass die Liturgie in allen Elementen gefeiert werden konnte und lediglich der Schlusssegen durch den Applaus etwas verzögert wurde“.
Nun ist sogar Papst Franziskus involviert
Auch über den Vorfall bei der Christmette hinaus wird der Konflikt scharf geführt. So hatten einige Mitglieder des Domchors am 19. Dezember einen offenen Brief an die drei designierten interimistischen Nachfolger Böhmanns als Chorleiter ins Netz gestellt. Unter Verweis auf die loyale Haltung der Chöre zu Böhmann schreiben die Verfasser: „Wir fragen uns deshalb, weshalb Sie mit Ihrer Bereitschaft, als Interimsleiter für die Domsingschule zu arbeiten, die beabsichtigte Entlassung Ihres Kollegen Herrn Domkapellmeister Boris Böhmann aktiv unterstützen? Was bewegt Sie, Ihrem Kollegen zu schaden? Sie kennen ihn gut, er war Ihr Lehrer, Ihr Kollege, sie haben ihm viel zu verdanken.“ Es folgt die Bitte, die Interimsstellen nicht anzutreten – und die Aufforderung, „bald“ und „gerne öffentlich“ zu antworten.
Eine Grenzüberschreitung, findet wiederum die Erzdiözese: Die Interimsleiter hätten sich „in einer äußerst schwierigen Lage bereit erklärt, Verantwortung zu übernehmen“, hätten jedoch „mit den vorangegangenen Konflikten nichts zu tun.“ Und weiter: „Sie nun öffentlich noch vor ihrem Amtsantritt zu beleidigen und mit einem Ultimatum zu bedrohen, wird weder ihnen noch der Sache der Freiburger Dommusik gerecht.“
Moderat selbstkritisch gibt sich die Erzdiözese nur insofern, als sie schreibt, die Unmöglichkeit, Gründe für die ursächliche Entlassung Böhmanns anzugeben, habe „leider zu einer Schräglage in der Debatte geführt, was alle Beteiligten aus dem Domfabrikfonds bedauern“. Einer Bitte dieser Zeitung um weitergehende Stellungnahme entsprach die Erzdiözese nicht. Die Kündigung, diese Auskunft konnte die Katholische Nachrichtenagentur (KNA) einem Sprecher der Erzdiözese am Freitag abgewinnen, bleibe jedenfalls „zu Ende Februar wirksam“. Wie aber soll die Situation innerhalb der Chöre befriedet werden? Vorerst bleibt es damit bei der Ankündigung der Verantwortlichen, „Anfang des neuen Jahres mit Gesprächsangeboten auf die Elternvertreter und Chorsprecher“ zuzugehen. So lange wollen diese aber offensichtlich nicht warten: Wie die „Bild“-Zeitung erfahren haben will, haben Elternvertreter mittlerweile sogar bei Papst Franziskus um Unterstützung geworben – und auch die „angeblich fehlende Gesprächsbereitschaft“ (Bild) Burgers kritisiert. (DT/jra)
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