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„Wer vergibt, kann den Lauf der Geschichte verändern“

Sowohl zu jungen Menschen als auch zu Priestern, Ordenschristen und Seminaristen spricht Papst Franziskus von der Notwendigkeit des Gebetes und der Versöhnung.
Papst Franziskus hält eine Rede in der Kathedrale "Notre Dame du Congo".
Foto: Gregorio Borgia (AP) | 02.02.2023, Demokratische Republik Kongo, Kinshasa: Papst Franziskus hält eine Rede während eines Treffens mit Priestern, Diakonen, Geweihten und Seminaristen in der Kathedrale "Notre Dame du Congo".

Im vollbesetzten „Märtyrer-Stadion“ in Kinshasa ist Papst Franziskus am Donnerstagvormittag mit jungen Menschen und Katecheten zusammengetroffen. Als Bild für seine Ansprache setzte der Papst die Hand ein: „Freunde, Gott hat in eure Hände das Geschenk des Lebens, die Zukunft der Gesellschaft und dieses großartigen Landes gelegt.“ Alle Hände seien zwar ähnlich, doch keine wie die andere. Deshalb sei jeder Mensch „ein einzigartiger, unwiederholbarer und unvergleichlicher Schatz“. 

Anhand der fünf Finger einer Hand erläuterte Papst Franziskus einige „Zutaten für die Zukunft“, die der jungen Menschen Hände aufbauen könnten. Ausgehend vom Daumen – „dem Finger, der dem Herzen am nächsten ist“ – sprach er vom Gebet: „Wer betet, reift innerlich und versteht es, den Blick nach oben zu richten und sich daran zu erinnern, dass er für den Himmel geschaffen ist.“ Gott liebe ein „konkretes“ Gebet: „Ruf ihm die Hoffnungen deines Herzens zu, vertrau ihm die innersten Geheimnisse deines Lebens an: den Menschen, den du liebst, die Verletzungen, die du in dir trägst, die Träume, die du im Herzen hast. Erzähl ihm von deinem Stadtviertel, deinen Nachbarn, Lehrern, Klassenkameraden, Freunden und Kollegen und von deinem Land.“

Individualistische Entscheidungen“ führen zu Verschlossenheit

Mit dem Zeigefinger „zeigen wir anderen etwas“, so Franziskus weiter. Die anderen, die Gemeinschaft, sei die zweite Zutat, eine Hilfe, um der Berufung treu zu bleiben. „Individualistische Entscheidungen“ hingegen führten zu Verschlossenheit und Einsamkeit. In dem Zusammenhang nannte Franziskus den Drogenkonsum, aber auch „die Abhängigkeit von Okkultismus und Hexerei, die in Angst, Rache und Wut gefangen halten“. Andererseits dürfe mit dem Zeigefinger nicht auf andere gezeigt werden, um sie auszuschließen, „weil er oder sie eine andere Herkunft hat als ihr“. Ebenso warnte der Papst von rein virtuellen Beziehungen: „Mit dem Leben kommt man nicht über einen Finger auf dem Bildschirm in Berührung.“

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Über den mittleren Finger sagte der Papst, er erhebe sich über die anderen: „Es ist die wichtigste Zutat für eine Zukunft, die euren Ansprüchen gerecht wird. Das ist die Ehrlichkeit!“ Christ zu sein bedeute, Christus zu bezeugen. In Anlehnung an Paulus – „Lass dich nicht vom Bösen besiegen“ – führte er aus: „Lasst euch nicht von Einzelpersonen oder Gruppen manipulieren, die versuchen, euch zu benutzen, um euer Land in der Spirale von Gewalt und Instabilität zu halten.“ Die jungen Menschen sollten das Böse durch das Gute besiegen: „Seid ihr diejenigen, die die Gesellschaft verwandeln, die Böses in Gutes verwandeln, Hass in Liebe, Krieg in Frieden.“

Den Ringfinger – „dort trägt man den Ehering“ – brachte Franziskus in Zusammenhang mit Vergebung: „Vergebung bedeutet, neu anfangen zu können. Vergebung bedeutet nicht, die Vergangenheit zu vergessen, sondern sich nicht damit abzufinden, dass sie sich wiederholt.“ Mit der Vergebung könne der Lauf der Geschichte verändert werden: „Wer vergibt, der schafft Zukunft“, er könne diejenigen aufrichten, die gefallen sind. Zunächst müsse aber jeder Vergebung von Gott empfangen: „Aber wie werden wir fähig zu verzeihen? Indem wir uns von Gott vergeben lassen. Jedes Mal, wenn wir beichten, erhalten wir zuerst in uns selbst die Kraft, die die Geschichte verändert.“

"Was kann ich für die anderen tun?“

Der kleine Finger erinnere an den Dienst, denn „gerade das Kleinsein, das Sich-Kleinmachen“ sei das, was Gott anziehe. Wer diene, mache sich klein: „Wie ein winziger Samen scheint er in der Erde zu verschwinden und doch bringt er Frucht. Jesus zufolge ist der Dienst die Kraft, die die Welt verändert. Die kleine Frage, die du jeden Tag mit diesem Finger verbinden kannst, lautet also: Was kann ich für die anderen tun?“ Zum Abschluss des Treffens mit den jungen Menschen bat Franziskus um eine Schweigeminute, in der alle den Menschen vergeben sollten, die sie verletzt hätten.

Vom Gebet sprach der Papst auch zu Seminaristen, Diakonen, Ordensleuten und Priestern, mit denen er am Donnerstagnachmittag in der Kathedrale „Notre Dame du Congo“ zusammentraf, denn die Beziehung zum Herrn sei „die Grundlage unseres Wirkens“. Der Dienst und das Apostolat „hängen nicht allein von menschlichen Mitteln ab“. Papst Franziskus empfahl „bestimmte liturgische Gebetsrhythmen (zu) halten, die den Tag prägen, von der Messe bis zum Brevier“. Ebenso dürften Priester, Ordenschristen und Seminaristen „die Beichte nicht vernachlässigen“. Darüber hinaus sei nötig, „jeden Tag eine intensive Gebetszeit vorzusehen, um mit unserem Herrn von Herz zu Herz zu verweilen: ein längerer Moment der Anbetung, der Betrachtung des Wortes Gottes, das Rosenkranzgebet; eine innige Begegnung mit demjenigen, den wir über alles lieben“. Schließlich spricht der Papst auch vom „Herzensgebet“, von kurzen Stoßgebeten – „sie sind ein Schatz!“ – „Worten des Lobes, des Dankes und der Anrufung, die wir dem Herrn gegenüber wiederholen, wo immer wir sind.“

Die geistliche Mittelmäßigkeit überwinden

Das Gebetsleben sei nötig, „um die geistliche Mittelmäßigkeit zu überwinden“, die er als eine der drei Herausforderungen für Priester, Ordenschristen und Seminaristen genannt hatte. Als zweite Herausforderung nannte Franziskus „die weltliche Bequemlichkeit“, wodurch der „Kern der Mission“ verloren gehe, „der darin besteht, aus dem Bereich des Ichs herauszugehen.“ Es sei skandalös, wenn „statt dem Evangelium zu dienen, wir dann damit beschäftigt (sind), unsere Finanzen zu verwalten und ein für uns vorteilhaftes Geschäft zu betreiben“. Zur Überwindung der dritten Versuchung, der Oberflächlichkeit, trage es bei, sich „angemessen zu schulen“ bei, „sowohl im geistlichen Leben als auch in der theologischen Bildung.“ Die Ausbildung sei ein Weg für immer, für das ganze Leben lang. Priester, gottgeweihte Männer und Frauen sowie Seminaristen dürfen nicht vergessen, Zeugnis zu geben. Um aber den Menschen zu dienen – so Papst Franziskus zum Schluss – bedarf es weiterhin „noch junger Menschen, die ‚Ja’ zu ihm sagen, weiterer Priester und Ordensleute, die seine Schönheit mit ihrem Leben aufscheinen lassen“.

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