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Simon Pories: Für Gott und das Klima

Simon Pories ist Katholik und Klimaschützer. Der Wiener sieht seine Berufung im Einsatz für eine lebenswerte Zukunft.
Simon Pories
Foto: F. Marhold | Simon Pories ist praktizierender Katholik und ein Klima-Aktivist bei "Fridays for Future". Für ihn ist der Einsatz für die Umwelt ein Beitrag für eine lebenswerte Zukunft.

Ein Dorf aus Zelten mitten in einem Park. Neben gut zehn kleinen Zwei-Mann-Zelten gibt es ein großes, das aussieht wie ein Zirkuszelt. „Bitte nicht stören. Dauerbesetzer schlafen hier in ihrem Zuhause“, liest man auf dem Pappschild auf der bunten Eingangstür. In dem Zelt daneben stehen Regale mit Äpfeln, Orangen, Brot und anderen Lebensmitteln. In der Mitte wurde eine Kochstelle eingerichtet. In einem dritten Zelt, das als Ess- und Aufenthaltszimmer genutzt wird, wartet Simon Pories. Der Wiener trägt eine graue Mütze, warme Handschuhe, eine schwarze Jacke und Wanderschuhe. Es ist Anfang Januar. Das Klimaschutz-Camp Hirschstetten – so heißt ein Stadtteil des 22. Wiener Gemeindebezirks –, sowie zwei weitere Protestcamps, die Baustellen für eine von der Regierung geplante Stadtstraße durch den genannten Bezirk besetzen, wurden im August aus dem Boden gestampft.

Klimafasten als Motto für die Fastenzeit

Simon Pories war von Anfang an dabei. Für Klimaschutz wurde der nun 20-Jährige als Schüler im Physikunterricht und durch Fridays for Future sensibilisiert. Der dritte Berührungspunkt ist eher ungewöhnlich – es war seine katholische Pfarrei. Gemeinsam mit anderen Leuten aus der Kirche am steinernen Löwen, der Pfarrei Aspern, ging Pories im März 2019 zum ersten weltweiten Klimastreik, der von Greta Thunberg inspiriert wurde. Es sollte nicht der letzte bleiben. „Ich hatte das Gefühl: Da kann man etwas bewegen“, sagt Pories. Klimaschutz sei ein Thema in seiner Pfarrei. Es wäre nicht omnipräsent, aber es gäbe ab und an Workshops dazu oder Projekte auf kleiner Ebene.

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In einer Fastenzeit wählten die Mitglieder der Pfarre als Motto „Klimafasten“. Simon Pories ist dort seit seiner Jugend sehr eingebunden. Das kommt nicht von ungefähr: beide Elternteile sind Theologen, seine Mutter ist Pastoralassistentin in Aspern, der größten Pfarrei Wiens. Pories selber engagiert sich als Ministrant, spielt Gitarre in Gottesdiensten und wurde im März in den Pfarrgemeinderat gewählt. Der Raumplanungsstudent betreibt Aktivismus aus dem Glauben heraus. „Für mich ist klar: Wenn ich an Gott glaube, der die Welt erschaffen hat, muss ich schauen, dass die Welt nicht kaputt gemacht wird – um es banal zu sagen“, erklärt er. Das, und auch, dass Unterstützung aus der Kirche käme, wo Pories seine Wurzeln hätte und sich zu Hause fühle, gäben ihm Motivation für den Aktivismus.

Demonstrationen des Glaubens

Der 20-Jährige findet, dass sich Christen politisch einsetzen sollten für eine gerechtere Welt. „Leider wird das oft vergessen“, ergänzt er. Wenn er gefragt wird, was Gott mit seinem Leben vorhätte, antwortet er: „Der Einsatz für eine lebenswerte Zukunft.“ Pories denke nicht, dass der Klima- und Umweltschutz über anderen Sachen stehe, aber er sei etwas, wo er seine Fähigkeiten einsetzen könne und was ihn „sehr erfüllt“.

In dem Zeltdorf flattert zwischen zwei Bäumen eine „Extinction Rebellion“-Flagge. Die Teilnehmer des Protestcamps-Hirschstetten kommen jedoch aus unterschiedlichen Klimaschutzbewegungen: „System Change not Climate Change“ ist vertreten, genauso wie „Hirschstetten retten“ oder „Fridays for Future“. Bei letzterem engagiert sich Simon Pories. Die Demonstrationen der Bewegung hätten für ihn Ähnlichkeiten zu christlichen Gottesdiensten – und zu Fronleichnamsprozessionen. „Diese sind ja auch Demonstrationen; Demonstrationen des Glaubens“, sinniert der Student. Natürlich stehe bei einem Gottesdienst Gott im Mittelpunkt. „Glaube ist keine Ideologie, die Bibel kein Parteiprogramm, aber ich denke schon, dass es im Glauben Anliegen gibt für uns als Gesellschaft. Die Nächstenliebe ist ja Kernbotschaft des Evangeliums“, erklärt er.

Jeder darf so sein, wie er ist

Simon Pories unterscheidet sich nicht nur darin, dass er praktizierender Katholik ist von Klima-Aktivisten wie denen der Gruppe „Aufstand der letzten Generation“, die in Deutschland Autostraßen blockieren, indem sie sich an den Boden ankleben. Es wirkt nicht, als wäre er von professionellen Coaches rhetorisch geschult worden. Seine Sprache ist nüchtern-pragmatisch, nicht emotional eingefärbt. Die Hungerstreiks, in die einige von „Aufstand der letzten Generation“ traten, um Politiker der Ampel-Koalition zu strengen Klimagesetzen zu zwingen, hat Pories nur am Rande verfolgt. Er fragt sich, ob man dadurch wirklich Menschen für den Klimaschutz gewinnt. Andererseits bewundert er die Radikalität der Hungerstreikenden – und hat prompt einen theologischen Vergleich parat. „Auch Jesus hat ganz viele Normen gebrochen. Er hat am Sabbat geheilt. Das war verboten. Er hat scharf kritisiert, wie gewisse Sachen damals waren. Er warf die Händler aus dem Tempel – das ist ja auch sehr radikal“, erklärt Pories. Diese Aspekte müsste man mitbedenken.

Die meisten Mitstreiter im Klimaschutz-Camp würden seinen christlichen Glauben, den Pories nicht verheimlicht, positiv sehen. Sie würden sich freuen, dass auch religiöse Menschen die Anliegen der Klimabewegung teilten. „Das Schöne an der Klimabewegung ist, dass jeder so sein kann, wie er ist“, findet der Katholik. Der Großteil seiner Kollegen hätte „keine klassische Bindung zur Kirche“. Aktiv missionieren möchte Pories nicht. Er versuche, seinen Glauben stattdessen vorzuleben. Nach ungefähr einer Stunde muss Simon Pories weiter zu einer Besprechung einiger Protestcamp-Mitglieder. Ihm ist bewusst, dass es in dieser Welt keine Vollendung geben wird und auch, dass die Kirche kleine Klima-NGO ist. Trotzdem wird sich der „Verkehrswende-Fanatiker“, wie sich Pories auf Twitter bezeichnet, weiter für das Klima einsetzen – und für Gott.

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