Der in St. Pölten inkardinierte, aber in München tätige Priester Wolfgang F. Rothe ist in den Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) für Betroffene sexualisierter Gewalt gewählt worden. Dies geht aus einer Pressemitteilung des Betroffenenbeirats vom Dienstag hervor. Rothe, der dem emeritierten St. Pöltener Bischof Klaus Küng Missbrauch vorwarf, ist einer der bekanntesten Priester Deutschlands. Er wirbt, selbst offen homosexuell, regelmäßig öffentlich für eine Änderung der katholischen Sexualmoral, die er für die Missbrauchskrise mitverantwortlich macht.
In einem Interview mit dem Schweizer Portal kath.ch etwa sagte Rothe im März, der Zölibat sei ein „enormer Risikofaktor für sexuellen Missbrauch“. Wer zum Zölibat verpflichtet sei, solle „leben wie ein Engel“, habe aber „ganz normale sexuelle Bedürfnisse“, und weiter: „Weil Zölibatsverstösse nicht nur sündhaft, sondern unter Umständen auch kirchenrechtlich strafbar sind, müssen sie zwangsläufig im Geheimen, im Stillen erfolgen. Und wen kann man am Leichtesten zum Schweigen bringen? Richtig: Kinder, Jugendliche und andere mehr oder weniger schutzlose Personen.“
Rothe selbst hatte dem emeritierten St. Pöltener Bischof Klaus Küng vorgeworfen, ihm im Rahmen einer Konfrontation im Bistum St. Pölten ein Beruhigungsmittel verabreicht und ihn unsittlich berührt zu haben – Vorwürfe, die Küng zurückgewiesen hat. Küng war vor seiner Ernennung zum Bischof zum Apostolischen Visitator des Bistums St. Pölten bestellt worden, um Vorwürfe von praktizierter Homosexualität und Kinderpornographie aufzuklären; Rothe trat im Rahmen des Skandals als Subregens des St. Pöltener Priesterseminars zurück. Das Dikasterium für die Bischöfe stufte Rothes Vorwürfe gegen Küng nach Auskunft des Bistums St. Pölten seinerzeit als haltlos ein. Rothe wiederum hat 2021, ohne die Vorwürfe erneut explizit zu machen, auch ein Buch mit dem Titel „Missbrauchte Kirche. Eine Abrechnung mit der katholischen Sexualmoral und ihren Verfechtern“ veröffentlicht.
Rothe will katholische Doktrin „endlich einmal“ untersuchen
Für den Betroffenenbeirat hatte sich der im Erzbistum München und Freising tätige Geistliche einem Artikel der Westfalenpost zufolge zuvor beworben. Er sei, so der nicht unumstrittene Priester, aber „überrascht“, dass die Auswahlkommission ihn gewählt habe. Die konstituierende Sitzung der zweiten, dreijährigen Amtszeit des 2022 bestehenden Betroffenenbeirats fand bereits am vergangenen Wochenende statt. Der Beirat soll „die Bischofskonferenz unter anderem in Fragen des sexuellen Missbrauchs bzw. der sexualisierten Gewalt beraten, aber auch eigene Themen einbringen, welche die Bedarfe der Betroffenen widerspiegeln.“
Der Westfalenpost sagte Rothe, er wolle „das Thema Theologie“ in den Beirat mit hineinbringen und „das Augenmerk darauf richten, dass die katholische Doktrin endlich einmal daraufhin untersucht wird, ob sie Risikofaktoren für Missbrauch enthält, zum Beispiel die Sexualmoral“. Weiterhin möchte Rothe sich für einheitliche Standards für Betroffenenbeiräte und für eine bessere Transparenz kirchenrechtlicher Verfahren für die Betroffenen einsetzen. In der Pressemitteilung des Betroffenenbeirats hieß es unter anderem, Ziel für die zweite Amtszeit sei es, eine stärkere öffentliche Sichtbarkeit des Beirats zu etablieren und ein „deutlich stärkeres Gewicht gegenüber der Deutschen Bischofskonferenz zu sein.“ So wolle der Beirat „einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Aufarbeitung und zum Schutz der Rechte von Betroffenen leisten.“ (DT/jra)
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