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Missbrauch: Ziele bei Aufarbeitung noch nicht erreicht

Bischof Ackermann sieht bislang keine konkreten Ergebnisse bei der Aufarbeitung der Missbrauchskrise.
Stephan Ackermann, Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs
Foto: Marius Becker (dpa) | Stephan Ackermann, Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs.

Bischof Stephan Ackermann sieht in der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche weiterhin großen Handlungsbedarf. Die Arbeit an den im Herbst 2018 beschlossenen Maßnahmen sei nach wie vor im Gange, wie der Beauftragte der Deutsche Bischofskonferenz (DBK) für Missbrauchsfragen am Mittwoch in Lingen erklärte. Die Ziele, welche die deutschen Bischöfe nach Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie im vergangenen September formuliert hatten, seien jedoch noch nicht erreicht.

Ackermann wirbt für Geduld bei Aufarbeitung

Zu den Maßnahmen, an denen unter der Leitung Ackermanns derzeit gearbeitet werde, gehöre ein System der unabhängigen Aufarbeitung des Missbrauchsgeschehens im Bereich der Kirche. Dazu sollen in enger Kooperation mit dem Unabhängigen Beauftragten für Missbrauchsfragen der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, Kriterien und Standards entwickelt werden. Ackermann warb bei diesem Vorhaben für Geduld, ein Zeitrahmen sei nach seinen Worten nur schwer absehbar. Ebenfalls langwierig gestalte sich die Arbeit an einheitlichen Vorgaben für die Führung von Personalakten der Kleriker in den deutschen Diözesen. Im Zusammenhang mit der MHG-Studie hatten die Wissenschaftler Kritik an manipulierten Aktenbeständen vorgebracht.

Auf dem Prüfstand steht nach der Empfehlung Rörigs und der Autoren der MHG-Studie auch das bundesweite Verfahren zur Zahlung von Anerkennungszahlungen an Missbrauchsgeschädigte. Nach diesem seit 2011 bestehenden System hätten bislang 1.900 Personen einen Antrag auf Anerkennung ihres Leids gestellt, erklärte Ackermann. Kritisiert wurde in der Vergangenheit, dass die Antragsteller eine meist vierstelligen Summe zur Anerkennung ihres Leids erhalten, nicht aber finanziell entschädigt werden. Ackermann sagte, das System solle nun überprüft und weiter entwickelt werden, betonte aber auch, es stehe "in der Öffentlichkeit schlechter da, als es tatsächlich ist".

Bischofskonferenz stellt Maßnahme vorerst zurück

"Noch Luft nach oben" sehe der DBK-Beauftragte darüber hinaus bei der Etablierung unabhängiger Anlaufstellen für Betroffene von Missbrauch. Diese gebe es nach wie vor nicht in jeder Diözese, beziehungsweise sei die Unabhängigkeit der Ansprechpartner nicht immer ersichtlich, monierte der DBK-Beauftragte. Er halte seine Mitbrüder in den Diözesen weiter an, hier für Abhilfe zu sorgen. Vorerst zurückgestellt sei die Arbeit an einem Monitoring der Intervention und Prävention in den Diözesen. Im September hatte Ackermann erklärt, einen verbindlichen, überdiözesanen Mechanismus etablieren zu wollen.

Als weitere Konsequenz aus den jüngsten Erkenntnissen zur Missbrauchskrise stellte der DBK-Beauftragte Ackermann einen bistumsübergreifenden Gerichtshof in Aussicht, der schneller und transparenter als bisher Fälle von Missbrauchs behandeln kann. Die Deutsche Bischofskonferenz habe ihre Willen zur eines solchen Gerichts deutlich zum Ausdruck gebracht, so Ackermann. Es liege am Vatikan, dem Vorhaben zuzustimmen.

Bischofskonferenz will Strafgerichte für Missbrauchsfälle

Im Interview mit der "Tagespost" hatte auch Bambergs Erzbischof Ludwig Schick die Errichtung eines solchen Regionalgerichts angekündigt. "Wir werden sicher überdiözesane Strafgerichte bekommen", sagte der frühere Professor für Kirchenrecht. Schick war im November von den Bischöfen mit der Erörterung rechtlicher Fragen bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals beauftragt worden.

DT/kim (jobo)

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