Nach Ansicht des Tübinger Kirchenrechtlers Bernhard Anuth treten Bischöfe, die weiterhin im Synodalen Ausschuss mitarbeiten, in einen offenen Ungehorsam zum Papst. Im Gespräch mit dem Internetportal „domradio.de“ über den am Dienstag veröffentlichten Brief von Papst Franziskus an vier ehemalige Mitglieder der Synodalversammlung, betont Anuth: „Im Schreiben vom Januar 2023 hat der Papst ausdrücklich feststellen lassen, dass niemand die Kompetenz hat, einen Synodalen Rat einzurichten, der ,eine neue Leitungsstruktur der Kirche in Deutschland bilden‘ würde und ,sich über die Autorität der Bischofskonferenzen zu stellen und diese faktisch zu ersetzen scheint‘.“
Auch in seinem jüngsten Schreiben weise der Papst ausdrücklich darauf hin, dass damit die Einrichtung eines Synodalen Rates untersagt worden sei. Laut Anuth sei dies „keine Überraschung“, da kirchenrechtlich ungültiges Handeln immer auch unerlaubt sei. „Da Bischöfe dem Papst noch einmal mehr als alle Gläubigen Gehorsam schulden und ihn bei ihrem Amtsantritt auch eigens geschworen haben, wiegt ihr Ungehorsam durchaus schwer und kann kirchenrechtlich sanktioniert werden.“
Papst entscheidet "nach Gutdünken", ob er Maßnahmen ergreifen will
Ob der Papst tatsächlich Maßnahmen ergreifen wolle, entscheide er „nach Gutdünken“, so Anuth, der Kirchenrecht an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen lehrt. Einen einzelnen Bischof zu sanktionieren, wie zuletzt den texanischen Bischof von Tyler, Joseph Strickland, falle Franziskus aus kirchenpolitischen Gründen vermutlich leichter, „als gegen eine ganze Gruppe von Diözesanbischöfen vorzugehen“.
Nach Ansicht Anuths sei nicht zu erwarten, dass der Papst nun gegen alle Bischöfe im Synodalen Ausschuss vorgehen werde, „und ich bezweifle ehrlich gesagt auch, dass er es zum jetzigen Zeitpunkt für opportun hält, einen einzelnen von ihnen exemplarisch zu maßregeln um die anderen auf Linie zu bringen“. Allerdings könnten die anstehenden Bischofsernennungen erkennen lassen, in welche Richtung sich die DBK entwickeln soll, betont der 50-Jährige. Er könne sich nicht vorstellen, „dass der Papst einfach zuschaut, wenn Bischöfe verbal seine Autorität unterstreichen, ihn aber in ihrem Handeln einen guten Mann sein lassen“.
Papst in Sorge über deutsche Ortskirche
In einem am Dienstag zuerst von der Tageszeitung „Die Welt“ veröffentlichten Brief an die vier ehemaligen Synodalen Katharina Westerhorstmann, Marianne Schlosser, Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und Dorothea Schmidt verurteilt der Papst den Synodalen Ausschuss, der jüngst in Essen erstmals zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam. Er teile die Sorge „über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte“, mit denen sich große Teile der deutschen Ortskirche „immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen“, so Franziskus.
Zu diesen Schritten gehören nach den Worten des Papstes auch die Konstituierung des Synodalen Ausschusses, „der die Einführung eines Beratungs- und Entscheidungsgremiums vorbereiten soll, das in der im entsprechenden Beschlusstext umrissenen Form mit der sakramentalen Struktur der katholischen Kirche nicht in Einklang zu bringen ist“. DT/mlu
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