Es soll harmonisch zugegangen sein. Nachdem Kardinal Matteo Zuppi dem Moskauer Patriarchen Kyrill am Fest Peter und Paul in dessen Moskauer Residenz im Danilow-Kloster begegnet war, ließen beide Seiten keine Zweifel daran, dass zumindest die Atmosphäre stimmte. Auch wenn über kein weiteres Treffen zwischen Kyrill und Papst Franziskus gesprochen worden sei, wie der Leiter des Außenamts des Patriarchats, Metropolit Antonij Sewjuk, im Anschluss sagte, so sei es doch ein „sehr herzliches Gespräch“ gewesen. Der Vatikan sprach in einer Mitteilung vom Freitag von einer „fruchtbaren Begegnung“ des Kardinals mit Kyrill, in der es um „humanitäre Initiativen“ gegangen sei, „die eine friedliche Lösung erleichtern können“.
Nach dem Besuch Zuppis in Kiew vor drei Wochen, genau zu der Zeit, als der Kachowka-Staudamm geborsten war, hat der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenzen nun auch auf russischer Seite Gesprächsfäden aufgenommen. Ein Durchbruch ist nicht in Sicht, man sieht kein Licht am Ende des Tunnels. Aber immerhin kann Zuppi mit dem Netzwerken fortfahren kann – mit dem moralischen Gewicht des Papstes im Rücken und getragen von der vielfältigen Unterstützung der Gemeinschaft Sant’Egidio, die Erfahrung mit Friedensmissionen hat.
Die Tür zum Dialog bleibt offen
Vor dem Termin beim Patriarchen war Zuppi mit dem außenpolitischen Berater des russischen Präsidenten, Juri Uschakow, und der russischen Kinderrechtsbeauftragten Maria Lwowa-Belowa zusammengekommen. Auch hier habe man laut Vatikan-Kommuniqué über „humanitäre Initiativen“ gesprochen, die – das ist inzwischen feste römische Sprachregelung – „Wege eröffnen könnten, um den so sehr erwünschten Frieden zu erreichen“.
Dass man davon noch weit entfernt ist, machte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nach der Visite deutlich: „Im Augenblick gibt es keine Spielräume für einen Frieden, die Tür für den Dialog bleibt aber offen.“ Es wird bei den vatikanischen Bemühungen weiter um die Rückführung von Kriegsgefangenen und von ukrainischen Kindern gehen, die russische Soldaten an unbekannte Orte verbracht haben. Moskau, Außenminister Sergei Lawrow eingeschlossen, hat bisher nicht signalisiert, dass man sich dem Ansinnen des päpstlichen Emissärs komplett verschließen will.
Geduldiges Weben eines Netzes
Die abschließende Mitteilung des Moskauer Patriarchats zitierte Kyrill mit dem frommen Wunsch, „alle Kirchen“ müssten sich zusammenschließen, um eine großen weltweiten Krieg zu verhindern. Und: „Unter den Bedingungen des Kalten Krieges hatten unsere Kirchen regelmäßige Beziehungen und für beide Seiten vorteilhafte Kontakte, in deren Rahmen insbesondere Fragen behandelt wurden, die unsere Völker beunruhigten“, meinte er zu dem Gesandten des Papstes.
Letzteres klingt wie eine Verhöhnung der unterdrückten und verfolgten Katholiken in den sowjetisch dominierten Ostblockstaaten jener Zeit, für die das regimehörige Moskauer Patriarchat alles andere als ein „vorteilhafter Kontakt“ gewesen war. Und tatsächlich sind in den letzten 500 Tagen „alle Kirchen“ enger zusammengerückt, aber eben nicht mit der orthodoxen Kirchenführung in Moskau, die sich aus diesem Kreis selber ausgeschlossen hat, indem sie einem Angriffskrieg den religiösen Segen gab, der tatsächlich zu einem Weltkrieg führen könnte.
Der Kyrill’schen Propaganda setzen der Papst und sein Gesandter das Weben eines Netzes von persönlichen Kontakten entgegen, das helfen kann, humanitäre friedensfördernde Arbeit zu leisten. Der gescheiterte Aufstand der Wagner-Gruppe hat gezeigt, wie schnell die Dinge in Bewegung geraten können. Dann zählen keine Geschichtsklitterung und hehren Worte, sondern die Handy-Nummern, über die man sich blitzschnell ins Spiel bringen kann.
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