Der Dogmatiker Helmut Hoping hat sich in die Überlegungen zur Erbsündenlehre mit eingeschaltet. Nachdem der hochbetagte katholische Theologe Hermann Häring in der Zeitschrift „Christ und Welt“ von letzter Woche eine Abschaffung derselben forderte, weil sie Frauenhass, Sexualphobie und Klerikalismus fördere und Ursache der Kirchenkrise sei, hält Hoping dagegen: Die Erbsündenlehre gehöre nicht abgeschafft, wenn auch neu bewertet. In einem aktuellen Interview mit "katholisch.de" sagte er, dass die Lehre von der Erbsünde eine wichtige Einsicht in das Wesen des Menschen darstelle.
Das Böse ist in jedem Menschen angelegt
Hoping bestätigt, dass Augustinus‘ Erbsündenlehre ihre Haken habe und „nicht wenig Unheil produziert“ habe. So hätten Eltern die Sorge gehabt, ihre ungetauft verstorbenen Kinder seien verloren. Augustinus‘ Ansicht, nur wenige könnten gerettet werden, sei „mit dem universalen Heilswillen Gottes unvereinbar“, sagt Hoping, fügt aber hinzu, dass dies nicht ausschließe, „dass Einzelne für immer verloren gehen“.
Wie das Konzil von Trient gelehrt habe, sei das Böse wurzelhaft in jedem Menschen angelegt. Insofern könne man nicht „von einer durch Zeugung weitergegebenen Schuld sprechen“. Ursünde meine, dass die Wurzel des Bösen in den Grund unseres bewussten Selbst- und Weltverhältnisses zurückreiche.
Sexualphobie und Frauenhass haben nichts mit der Erbsünde zu tun
Diese Ursünde mit Weltangst, Sexualphobie und Frauenhass in Verbindung zu bringen, wie Häring meine, sei allerdings falsch. Das habe historische Gründe. Frauenhass ziehe sich durch die Geschichte und sei kein typisches Problem der Kirche. Auch die priesterliche Sakralmacht erkläre nicht, „warum einzelne Priester Minderjährige sexuell missbrauchen“, so Hoping.
Entscheidende Faktoren seien „vor allem sexuelle Unreife, Verdrängung, Ephebophilie oder Pädophilie und pädokriminelle Energie“. Priester, die Probleme mit dem Zölibat hätten, würden sich in der Regel nicht an Kindern vergreifen.
Reine Autonomie ist reine Fiktion
Dass man die Kirchenkrise nicht mit der Erbsündenlehre erklären könne, zeige allein die Tatsache, dass evangelische Christen die gleichen Probleme hätten, obwohl sie weder Priesteramt noch Weihehierarchie, Zölibat oder „eine naturrechtlich begründete Ehe- und Sexualmoral“ kennen würden.
Auch die von Häring postulierte „ungeschmälerte Freiheit“ und reine Autonomie seien eine Fiktion. Es gebe weder „anthropologisch noch theologisch überzeugende Gründe dafür, von einer Freiheit auszugehen, die in ihrem Innersten von der Sünde nicht affiziert ist“, erklärt er. Freiheit gehe aus Befreiung hervor, gesellschaftlich wie individuell. Die wahre Freiheit bestehe in der „Freiheit zum Guten und zum Bösen“. DT/dsc
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