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„Es braucht eine Rückbesinnung auf unsere Taufwürde"

Schwester Anna Mirijam Kaschner, Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, spricht über die Atmosphäre, ihre Hoffnungen und mögliche Herausforderungen während der Synode in Rom.
Schwester Anna Mirijam Kaschner, Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz.
Foto: Julia Rathcke (KNA) | Schwester Anna Mirijam Kaschner, Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz.

Seit dem heutigen Mittwoch tagt die Weltsynode zum zweiten und letzten Mal. Mit welchem Gefühl sind Sie nach Rom gefahren?

Zu allererst mit einem großen Gefühl der Vorfreude. Ich habe mich riesig gefreut, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der letzten Versammlung wiederzutreffen. Das Jahr ist unheimlich schnell vergangen. Wir haben alle das Gefühl gehabt, dass wir erst letzten Monat auseinandergegangen sind. Ich finde, das ist erstmal ein gutes Zeichen.

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Dann herrscht dort eine gute Atmosphäre?

Eine freudige und herzliche. Es gibt viele Umarmungen, viel Wiedersehensfreude — im Vergleich zum ersten Teil der Synode, wo alle noch ein bisschen zurückhaltend waren. Man kannte sich nicht, wusste nicht, was einen erwartet. Jetzt können wir uns einigermaßen auf das Kommende einstellen. Wir kennen die Methode. Von daher haben wir jetzt eine entspannte und gute Atmosphäre.

Gerade komme ich von der Bußandacht. Die war auch sehr besonders. Mich hat tief berührt, Kardinäle stehen zu sehen, die unter anderem sagen: Ich bekenne und ich schäme mich, dass Gläubige andere Menschen in der Kirche, zum Beispiel Minderjährige, missbraucht haben. Das war wirklich stark.

Welche Erwartungen oder Hoffnungen haben Sie für diese letzte Etappe der Weltsynode?

Erwartungen möchte ich nicht haben, weil ich glaube, dass sie dem heiligen Geist Hindernisse in den Weg legen. Wenn ich jetzt schon weiß, was am Ende rauskommen muss, dann bräuchten wir uns gar nicht zu treffen. Es geht ja darum, miteinander auf den heiligen Geist zu hören, der uns dann hoffentlich — und da beten wir drum — auch den Weg zeigen wird.

Aber Hoffnungen und Wünsche habe ich. Ich wünsche mir, dass wir weiterhin in diesem offenen Geist miteinander sprechen können. Während der Exerzitien konnten wir das Gespräch im Geist bereits führen. Das hat uns wieder näher zueinander gebracht. Wir sind inzwischen auch geübter darin, wirklich aufeinander zu hören. Außerdem würde ich mir von dieser zweiten Etappe wünschen, dass die Vorstellungen und Ideen, wie synodale Kirche und Mission funktioniert, konkretisiert werden. Im „Instrumentum laboris“ gibt es einige gute Vorschläge, beispielsweise, dass es immer wieder Kontinentaltreffen geben könnte.

Außerdem hoffe ich, dass es uns gelingt, dieses lockere und unkomplizierte Miteinander, wie wir es hier zwischen Bischöfen, Kardinälen, Laien, Ordensleuten erleben, weitertragen. In Skandinavien erlebe ich das sowieso schon sehr positiv; hier muss man nicht vor einem Kardinal erstarren, sondern man pflegt einen ganz natürlichen Umgang.

Gibt es Themen im „Instrumentum laboris“, bei denen Sie sagen: Hier könnte es schwierig werden? 

Das beginnt schon damit, dass der heilige Vater einige strittige Themen aus der Synodenagenda herausgenommen hat. Viele sagen, er wolle damit Diskussionen verhindern. Das glaube ich nicht. Wenn wir das „Instrumentum laboris“ durchgehen, werden alle Themen drankommen und wir werden sie meditieren. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie in einem guten Geist besprochen werden - zumindest ist das meine Hoffnung.

Eine Herausforderung wird sicher der Vorschlag aus dem „Instrumentum laboris“ sein, den Bischofskonferenzen lehrmäßige Kompetenz zuzugestehen. Ich kann mir vorstellen, dass dies für viel Diskussion sorgen wird. Ich selbst bin hier auch skeptisch.

Sie haben das Hören angesprochen. Das Hören aufeinander und auf den heiligen Geist will uns der Papst mit dieser Synode ausdrücklich lehren. Inwiefern ist das möglich, wenn man bedenkt, dass manche vielleicht zum ersten Mal hören, dass man Gottes Stimme vernehmen kann?

Manche denken, dass ich Gottes Stimme so höre, wie ich die Stimme anderer Menschen höre. Wenn ich Stimmen hören würde, würde ich wahrscheinlich zum Psychiater gehen. Gottes Stimme vernehmen, das ist jedenfalls meine Erfahrung, kann ich in der Stille, im Gebet und durch das, was meine Geschwister im Glauben sagen. Das haben wir letztes Jahr während der Synode ganz, ganz stark erlebt und werden es hoffentlich auch jetzt erleben. 

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Haben Sie dafür ein Beispiel?

Man merkt zum Beispiel auf einmal, dass man mit einer Ansicht gar nicht allein ist, mit dem eigenen Standpunkt aber hinterm Berg gehalten hat in der Meinung, zu konträr zu sein. Aber es ist wirklich diese Offenheit da, die mich sein lässt, wie ich bin, mit meinen Ansichten. Gleichzeitig sehe ich bei mir eine Offenheit, mich auf die anderen einzulassen, deren Sichtweisen zu reflektieren und meine eigene dadurch korrigieren zu lassen, wenn nötig. 

Wenn Sie nach Deutschland schauen: Was könnte für die Kirche in Deutschland, die geprägt ist von einer Debattenkultur, wichtig sein, um in dieses Hören hineinzuwachsen?

Die Bischöfe, die hier anwesend sind, haben schon nach dem ersten Treffen gesagt, dass sie sehr beeindruckt waren von der guten Gesprächsatmosphäre, von dieser Offenheit, diesem Miteinandersprechen ohne Emotion. Das ist sicherlich etwas, das für die Kirche in Deutschland positiv sein könnte. Wir müssen sehen, wie sich der Synodale Weg in die Weltsynode einfügt. Ich würde mir wünschen, dass das gelingt, auch für die Kirche in Deutschland.

Der Papst möchte eine missionarische Kirche mit echten Subjekten des Glaubens. Wie kann das Ihrer Ansicht nach gelingen?

Dazu braucht es eine Rückbesinnung auf unsere Taufwürde. Wir müssen verstehen, dass jeder Getaufte eine Autorität hat. Pater Timothy Radcliff hat einmal gesagt, dass jeder Getaufte seine eigene Autorität hat und die Aufgabe eines Bischofs darin besteht, diese verschiedenen Autoritäten zu einer Sinfonie von Autorität zusammenzufassen. Mir hat das Bild sehr gefallen. Ich glaube, dass wir als getaufte Christen oft gar nicht mehr wissen, welche Würde wir haben. Wir sind Könige, Priester und Propheten. Wenn wir das und damit den Auftrag zu Verkündigung und Mission ernst nehmen würden, dann wäre schon ein ganz, ganz großes Stück des Weges gegangen.

Worauf freuen Sie sich am meisten während der Zeit in Rom? Und wann wäre die Synode für Sie gelungen? 

Ich freue mich am meisten auf viele Gespräche und Begegnungen mit Menschen. Wenn wir am Ende in unsere Bistümer zurückkehren und sagen: Diese Synode hilft uns dabei, einen neuen Stil in der Kirche zu finden, einen neuen Stil des Umgangs, der uns hilft, nicht mehr von oben nach unten, sondern in einem Miteinander zu denken — dann wäre die Synode wirklich gelungen.

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Dorothea Schmidt Bischof Päpste Synoden

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