Die methodische, den wissenschaftlichen Regeln folgende Auslegung der Bibel sei notwendig, aber nicht hinreichend. Diese Ansicht vertrat der Exeget Ludger Schwienhorst-Schönberger am Mittwochabend in seiner Abschiedsvorlesung an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Es sei an der Zeit, darüber hinauszudenken, so der Professor für Alttestamentliche Bibelwissenschaft, dem es dabei nicht bloß um spirituelle Akzente geht: „Die Wahrnehmung muss in einen anderen Modus wechseln.“
Bibel bezeugt die Selbstmitteilung Gottes
Schwienhorst-Schönberger, der auch in der „Tagespost“ publiziert, betonte, dass die Heilige Schrift in dem Geist gelesen und ausgelegt werden müsse, in dem sie geschrieben wurde. Es sei derselbe Geist, in dem die Bücher der Bibel verfasst und auch gelesen werden müssten. Die Bibel bezeuge die Selbstmitteilung Gottes, der „nicht irgendwelche Sätze“ offenbare, sondern sich selbst. Die Aussageabsicht Gottes gehe aber – wie das Zweite Vatikanische Konzil betonte – über die der menschlichen Hagiographen hinaus.
Die Bibelwissenschaft habe zur Erneuerung der Theologie im 20. Jahrhundert beigetragen, so Schwienhorst-Schönberger, der eine „Bibellektüre ohne Regeln“ ebenso kritisierte wie einen bloßen Historizismus. Der Modernismus wie der Traditionalismus würden die Bibel nicht ernst genug nehmen, aber auch ein reiner Spiritualismus benutze die Bibel nur „als Trampolin“. Es gelte vielmehr zu erforschen, „was die Hagiographen wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte“. DT/sba
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