Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Liturgie

Altkanzler Schüssel zum Konzil: Ein „Aufbruch ohnegleichen“

Benediktiner wurde Österreichs früherer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dann doch nicht, aber er blieb dem steirischen Kloster Seckau vielfach verbunden.
Ehemaliger Bundeskanzler Österreichs, Wolfgang Schüssel
Foto: IMAGO/ALEX HALADA (www.imago-images.de) | Der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist nach wie vor begeistert von der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauffolgenden Liturgiereform.

Österreichs früherer Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat in seiner Jugend überlegt, bei den Benediktinern im steirischen Seckau einzutreten. Das erzählte der Altkanzler am Mittwochabend im Rahmen eines Vortrags im Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg bei Wien. Eine Tante, die sich um ihn als 1945 geborenes Scheidungskind kümmerte, sei selbst Benediktiner-Oblatin gewesen. Zudem wurde er nur auf die Fürsprache des Seckauer Abtes in das von Benediktinern geführte, renommierte Wiener Schottengymnasium aufgenommen. Dem Benediktinerorden, insbesondere dem Stift Seckau, blieb Schüssel zeitlebens tief verbunden: Selbst in seiner Zeit als Bundeskanzler (2000 bis 2007) zog er sich hier zu Einkehr und Exerzitien zurück, machte auch Urlaub „eingebettet ins Klosterleben“.

Lesen Sie auch:

Begeistert ist der ehemalige Bundeskanzler nach wie vor von der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauffolgenden Liturgiereform. Er habe als Ministrant noch im alten Ritus mitgewirkt, sagte Schüssel in seinem Vortrag vor der „Liturgiewissenschaftlichen Gesellschaft Klosterneuburg“ und rezitierte zum Beweis das lateinische Stufengebet. Die Hochfeste in Seckau habe er als „unglaublich schön“ in Erinnerung. Dennoch habe er in den 1960er Jahren „mitgefiebert mit den Entwicklungen in der katholischen Kirche“ und ihrer Suche nach einer zeitgemäßen Liturgie.

Liturgisch vieles ausprobiert

Schüssel erzählte von musikalischen Experimenten im Rahmen von Gottesdiensten, an denen er aktiv gestaltend beteiligt war. „Wir haben manches ausprobiert. Nicht alles würde heute vor der Ritenkongregation standhalten.“ Die Verbindung von Spirituellem und Künstlerischem habe ihn „sehr geprägt“, bekannte der ÖVP-Altkanzler. Schüssel zitierte Papst Pius X. mit der Mahnung, „nichts Weltliches in die Kirche einzuschleppen“, und meinte: „Das Christentum muss in der Welt sein und Bedeutung für die Welt haben, sonst ist das Esoterik.“ Das Zweite Vaticanum sei „eine wirkliche Zäsur und ein Aufbruch ohnegleichen“ gewesen.

Die mit nur vier Gegenstimmen verabschiedete Liturgie-Konstitution des Konzils „war ein wirklicher Durchbruch“, so Schüssel. In der Änderung der Zelebrationsrichtung und der Einführung volkssprachlicher Messen sieht er „einen Wendepunkt im Verständnis einer Volkskirche, die wirklich für das Volk da ist“. Das Wichtigste sei aber zu allen Zeiten „die Verkündigung der Botschaft“, so der frühere Kanzler. In der Diskussion bekräftigte Schüssel in Klosterneuburg, dass aus seiner Sicht die Verkündigung wichtiger sei als die Strukturen. „Die Eucharistiefeier ist nicht ersetzbar, aber wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass nicht überall Eucharistiefeiern verfügbar sind.“ Darum müsse man „neue Formen der Verkündigung finden“.

Kritik an der Corona-Politik

Offene Kritik übte der langjährige Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteichef daran, dass während der Corona-Pandemie auch in Österreich Kirchen geschlossen und Messen abgesagt wurden. Das habe er „ganz falsch gefunden“, so Wolfgang Schüssel. Die katholische Kirche hält er nach wie vor für „die prägende geistige Kraft in Österreich und Europa“.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Stephan Baier Benediktinerorden Hochfeste Liturgiereformen Pius X. Päpste Wolfgang Schüssel Zweites Vatikanisches Konzil Österreichische Volkspartei

Weitere Artikel

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Die deutschen Bischöfe werden beim Synodalen Ausschuss wohl keine kirchenrechtskonforme Lösung finden. Das Mehrheitsprinzip eröffnet einen rechtsfreien Raum.
25.04.2024, 11 Uhr
Regina Einig