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Bischof Stefan Oster: „Die Sehnsucht nach Gebet wecken“

Ein Gespräch mit dem Passauer Bischof über den kommenden Adoratio-Kongress, das Geheimnis des Glaubens und die Gnaden der eucharistischen Anbetung.
Bischof Oster: Ein Gespräch mit dem Passauer Bischof über den kommenden Adoratio-Kongress
Foto: Lukas Barth (KNA) | Stefan Oster, der Bischof von Passau, legt auch beim diesjährigen Adoratio-Kongress wieder großen Wert auf die Schönheit des Glaubens.

Exzellenz, der kommende Adoratio-Kongress ist nun schon der fünfte. In der Ankündigung ist zu lesen, dass rund 1.500 Besucher erwartet werden. Sind Sie vom bisherigen Erfolg des Formats überrascht?

Ich war beim ersten Mal, 2019, überrascht. Damals gab es ein Risiko. Die Idee für einen solchen Kongress stammt ja aus Frankreich. Das wollten wir einmal miteinander probieren. Wir wussten nur, dass wenn wir in der Kirche Erneuerung anstoßen wollen, dass das nicht ohne Gebet und ohne die Vertiefung des geistlichen Lebens geht. Beim ersten Mal haben wir gedacht: Wenn 300 oder 400 Leute kommen, dann ist das gut. Tatsächlich waren es dann über 2000. Letztes Jahr, das erste Mal nach Corona, haben wir dann gemerkt, dass die Menschen noch zurückhaltender waren, was Großveranstaltungen angeht. Es war aber trotzdem ein richtig schönes Fest des Glaubens, mit wunderbaren Erfahrungen, Begegnungen, Impulsen, mit allem, was dazu gehört. Und die Leute waren begeistert.

Worauf ist dieser Erfolg zurückzuführen?

Viel läuft über Mundpropaganda. Die Leute, die einmal da waren, schwärmen von der wunderbaren geistlichen Atmosphäre. Das zieht alle an, die an geistlichem Leben interessiert sind, die ein Herz haben für den Herrn und für Gemeinschaftserfahrung. Außerdem haben wir natürlich auch immer tolle Redner, die großartig präsentieren können, sowie spannende Workshops. Es ist das Gesamtpaket: Man erlebt den Glauben auf eine Weise, die für den deutschsprachigen Raum eher eine Ausnahme ist – mit einem Schwerpunkt auf das, was uns als Katholiken das Innerste ist.

Diesmal steht die Veranstaltung unter dem Motto „Geheimnis des Glaubens“. Was steckt dahinter?

Wir alle neigen ja nicht selten dazu, den Glauben ein wenig oberflächlich zu leben oder ihn oft nur als Produkt des Verstandes zu betrachten. Der Glaube sollte aber unser Innerstes berühren, und zwar sowohl als Einzelne als auch als Gemeinschaft. Dabei zeigt sich, dass wir umgeben sind von einer Wirklichkeit, die viel größer ist als wir selbst. Uns gegenseitig in diese Wirklichkeit hineinzuhelfen, darauf verweist das „Geheimnis des Glaubens“. Ich liebe dieses Wort „Geheimnis“. Auf der einen Seite steckt das Wort „Heim“ drin und auf der anderen Seite die Vorsilbe „Ge“, die auf das Gesamte verweist. „Gebirge“ bezeichnet das Gesamt der Berge, „Gebiss“ das Gesamt der Zähne. Geheimnis in diesem Sinn gedeutet, ist das innere Zuhause, aber in einem viel umfassenderen Sinn, als wir das auch nur erahnen können; es ist größer als wir selbst und unser Inneres. Unser Anliegen ist, etwas von diesem inneren Zuhause aufzuschließen, damit wir als Glaubende darin wohnen und daheim sein können. Das Geheimnis des Glaubens ist dann auch mit dem Thema „Freude“ verbunden, denn Freude gehört notwendig zum Glaubensgeheimnis der Christen dazu.

Muss man für den Adoratio-Kongress ein charismatisches Faible haben oder gibt es auch für Katholiken mit anderen religiösen Sensibilitäten etwas zu entdecken?

Das kommt darauf an, was Sie mit „charismatisch“ meinen. Zunächst einmal steht die eucharistische Anbetung im Mittelpunkt – die ja gewissermaßen eine Hochform traditioneller kirchlicher Frömmigkeit ist. Deswegen kann jeder kommen, der ein Herz dafür hat, wozu auch Menschen zählen, die man typischerweise dem charismatischen Spektrum zuordnen würde. Aber wir haben zum Beispiel auch Bischof Gregor Hanke dabei, der eine klassische benediktinische Prägung hat und diese auch einbringt – sowohl als Vorsteher in der Messe als auch mit einem Workshop. Generell wollen wir Sehnsucht nach Gebet, nach geistlichem Leben, nach vertiefter Spiritualität wecken – in welcher Form auch immer, sofern sie kirchlich geprägt ist. Wichtig ist, dass Christus die Mitte ist und wir uns einzeln und miteinander auf ihn beziehen und lernen, unser eigenes geistliches Leben zu vertiefen. Deswegen ist jeder eingeladen, der dafür ein Herz hat, der auf der Suche nach mehr ist.

Warum ist die eucharistische Anbetung so wichtig? Welche besonderen Gnaden fließen aus ihr?

Ich glaube, dass ich als Mensch dann am meisten ich selbst werde, wenn ich mich vor Gott stelle und anerkenne, dass Gott Gott ist und dass ich sein geliebtes Geschöpf bin. Und wenn sich diese innere Haltung der Demut in der Anbetung vollzieht, dann glaube ich, dass die Gnade gewissermaßen auf dem Weg kommt, den Gott selbst genommen hat. Die Schöpfung lebt daraus, dass Gott uns aus seiner überfließenden absichtslosen Liebe geschaffen hat. Und die Erlösung durch Christus lebt daraus, dass der Herr sich erniedrigt hat und uns aus absichtsloser Liebe erlöst hat. Wenn ich hier das Wort „absichtslos“ gebrauche, dann meine ich, dass Gott keine egoistische Absicht hatte. Gott hat sich für den unerlösten, totgeweihten Menschen hingegeben. Er hat sich klein macht, unfassbar erniedrigt, damit die Charismen, die er zu geben hat, hineinfließen in das Leben des erlösten Menschen. Der Mensch empfängt diese Gnaden nach meiner Überzeugung in erster Linie dann, wenn er Christus auf diesem demütigen Weg entgegengeht. Denn natürlich besteht auch bei der Anbetung die Gefahr, dass wir selbstgerecht werden und uns für besser halten als die anderen, die vielleicht weniger beten. Auch der Pharisäer im Tempel in Lukas 18,9 ff. betet ja, ohne aber von Gott gehört zu werden. Wir müssen Christus in Demut und Geduld begegnen, denn manchmal tut sich ja auch gar nichts in der Anbetung: Man wird müde und kämpft gegen den Schlaf oder auch gegen den Wirrwarr der Gedanken oder die innere Unruhe an. Da kommt es darauf an, trotzdem zu bleiben und das Herz zu erheben.

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Es fällt auf, dass Schönheit und ein gewisses ästhetisches Bewusstsein für den Adoratio-Kongress eine wichtige Rolle spielen. Zugespitzt gefragt: Ist Schönheit nur eine Beigabe, mit der man die Gläubigen locken kann, oder gehört sie wesentlich zum katholischen Glauben?

Also Katholizismus ohne Schönheit ist nicht katholisch. Ich bin überaus dankbar, dass alle, die den Adoratio-Kongress mitorganisieren, so großen Wert auf das Thema Schönheit legen. Wir als Kirche haben ja den Ruf, dass wir zuerst entweder mit Dogma oder mit Moral daherkommen, mit Sätzen, die mit „du sollst“, „du musst“ und „du darfst nicht“ anheben. Wir haben aber auch ein riesiges Repertoire an Schönheit in unserem Glauben. Ich habe beispielsweise einen Dom vor der Tür, der unglaublich schön ist: von der Architektur, von den Bildern, von den Fresken, vom Licht her. Die katholische Religion hat auch wunderbare geistliche Musik und großartige Schriftsteller, die christliche Poetik und Literatur produziert haben. Wir haben also unfassbar viel Schönheit in unserem Glauben, die aber im Grunde nur auf die Schönheit unseres Herrn, auf die Schönheit des Allmächtigen verweist. Glauben ist eigentlich ein Übergang von der bloßen Beobachter- in die Teilnehmerperspektive, in das sich Hinein-nehmen-lassen in die Weggemeinschaft mit Gott, dem Herrlichen. Und die Schönheit ist geeignet, mich über mich selbst hinauszubringen – auf Ihn hin. Bei der Anbetung ist daher auch dieses kleine Stück Hostie in unfassbar kostbaren, wunderschönen Monstranzen aufbewahrt, um deutlich zu machen, dass in diesem winzigen Stückchen Brot der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Allmächtige, gegenwärtig ist und sich uns darbietet.

Wird der Adoratio-Kongress auch von Menschen besucht, die noch am Anfang ihres Glaubenslebens stehen?

Das gibt es sicher, ist aber nicht allzu häufig. Was wir eher erleben, ist, dass Menschen eine neue Erfahrung machen: Nicht wenige lernen zum ersten Mal tiefer verstehen, was ihr Glaube bedeutet. Wie alle Initiativen für eine Neuevangelisierung brauchen auch wir einen langen Atem, bis sich etwas von diesem Veränderungspotenzial in unserer Kirche entfaltet. Es hat in der Kirchengeschichte auch Bewegungen gegeben, die unerwartet gezündet haben. Denken Sie nur an die franziskanische Bewegung. Ich stelle mir immer wieder einmal vor, ich hätte als Bischof den heiligen Franziskus in meinem Bistum gehabt: Hätte ich diesen Mann, der anfängt, im Sack herumzulaufen und seinem Vater die Klamotten vor die Füße knallt, ernst genommen? Aber genau dieser „seltsame Vogel“ entfacht eine der intensivsten Erneuerungsbewegungen in der Kirchengeschichte als einer ihrer größten Heiligen!

Haben Sie einen besonderen Wunsch für den kommenden Kongress?

Also ich würde mich freuen, wenn diesmal auch viele Priester kämen, auch aus dem eigenen Bistum. Vor allem aber liegt mir am Herzen, dass wir in Menschen die Sehnsucht nach Gebet wecken könnten. Dass wir aus eigenem innerem Antrieb einüben zu beten und anzubeten. Es führt einfach in den Frieden. Und ich meine, das ist auch das eigentliche Gegengift gegen unsere mediale Konsumwelt, von der wir uns ständig ablenken lassen. Wenn wir die Sehnsucht nach dem Gebet wecken können, um in die tiefe Berührung mit Gott und uns selber zu kommen, dann wäre schon ganz viel gelungen.


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