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25. Forum Altötting: Beichten, beten, politisch denken

Beim 25. Forum Altötting knüpfen die Gemeinschaft Emmanuel und die Kreisstadt an die Sehnsucht der Menschen an.
Forum Altötting 2022
Foto: Gemeinschaft Emmanuel | Forum Altötting: Die größte Veranstaltung der Gemeinschaft Emmanuel. Hier treffen sich Jungund Alt aus vielen verschiedenen Ländern und erleben eine lebendige Kirche.

Die Weizenfelder rund um Altötting sind schon geschnitten und harren des Herbstes. Doch der bayerische Himmel zeigt unvermindert das intensive Weiß-Blau des Hochsommers. Die Luft glüht über dem Marienwallfahrtsort und drängt die Menschen in den Schatten. Jesus lebt – so tönt es rhythmisch aus den Bühnen-Lautsprechern auf dem Kapellplatz und einige Dutzend Gläubige wiederholen die Worte singend und jubelnd unter Sonnenschirmen. Jesus lebt.

Kirche international

Zum 25. Mal findet in diesen ersten Augusttagen das Forum Altötting statt, initiiert von der Gemeinschaft Emmanuel in Zusammenarbeit mit der Kreisstadt. Den Auftakt bildet ein Kinderfest am Donnerstag, es folgt ein abwechslungsreiches Programm rund um den Glauben für Teenies, junge Menschen und Erwachsene. Gut 1 600 Menschen sind angemeldet – es gibt ein Teenie-Zeltlager und ein Familien-Campen nahe der Basilika.

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Internationales Flair liegt über dem Hauptplatz, der von barocken Gebäuden gesäumt wird. Im Zelt des Forum-Cafés nahe der Bühne wippt eine Afrikanerin in grellfarbenem Gewand mit ausgebreiteten Armen selig zur Musik. Yeah, Jesus lebt. Der 24-jährige Nikolai steht am Nebentisch und trinkt kurz etwas gegen die Hitze. Er ist mit zwanzig anderen Freunden aus Slowenien angereist, zum dritten Mal ist er bei der Glaubens-Veranstaltung dabei. „Es ist mein Weg zu Maria“, sagt der Mathematikstudent aus Lublijana. Er versteht das Ganze nicht nur als eine besondere Pilgerreise und ein Glaubens-Happening, sondern er will sich auch informieren. Später an diesem Tag möchte er einen Workshop zum Thema Liebe und christliche Familie besuchen.

Nicht abreißende Schlangen vorm Beichtstuhl

Insgesamt stehen gut 20 verschiedene Vorträge, verteilt auf Räumlichkeiten in Hotels, Begegnungszentren und im Kultur+Kongress Forum des Ortes, zur Auswahl. Die Themen reichen von „politisch neu denken“ bis zu „Beichten leichter gemacht“. Wer möchte, kann diese Anregung sogleich umsetzen: Das Sakrament der Versöhnung wird unter Bäumen mitten auf dem Platz gespendet. In verschiedenen Sprachen – schließlich sind Menschen aus 15 Nationen zugegen. Die Schlange der Wartenden reißt über Stunden nicht ab.

In einem der Workshops stellt ein Ehepaar aus Mannheim die Gemeinschaft Emmanuel einem Kreis Interessierter vor: 1972 in Frankreich durch den Filmkritiker Pierre Goursat gegründet, wuchs die katholische Gruppierung in den folgenden Jahren und Jahrzehnten rasch. Im Jahre 1998 erfolgte die weltweite Anerkennung der Statuten durch den Vatikan, seit 2009 darf sich die Gemeinschaft Emmanuel „Öffentliche Vereinigung päpstlichen Rechts“ nennen. Derzeit gehören ihr rund 12 000 Mitglieder aus allen Lebensständen in mehr als siebzig Ländern an, darunter 270 Priester und zehn Bischöfe. In Deutschland liegt die Mitgliederzahl bei etwa 400 Gläubigen, das deutsche spirituelle Zentrum befindet sich in der Josefsburg in Altötting.

Lebendige Gemeinschaft verändert ein Dorf

In der Vorstellungsrunde des Workshops zeigen sich die meisten angetan von der Lebendigkeit der Gemeinschaft, eine Dame aus München äußert: „In unserer Gemeinde war bislang wenig los, dann kamen zwei neue Pfarrer von der Gemeinschaft Emmanuel und jetzt tut sich jede Menge. Ich bin hier, um mehr über die Aktivitäten der Gemeinschaft zu erfahren.“

Zwei Häuser weiter sitzt der ehemalige langjährige CSU-Generalsekretär und bayerische Staatsminister Gerold Tandler auf der Terrasse des Restaurants „Münchner Hof“. Er ist seit seiner Jugend in der Region beheimatet und lebt im angrenzenden Neuötting. Die Erinnerungen an den Beginn des Forums 1996 fließen aus dem inzwischen 86-jährigen Ex-Politiker, er erzählt vor allem über die wundersame Wandlung Altöttings, die er miterlebte: „Als ich 1948 hierher gekommen bin, war Altötting ein altes Bauerndorf. Um den Kapellplatz herum stand ein Kranz von Bauernhöfen. Zu jener Zeit war der Platz auch nicht so kirchlich geprägt, wie er es heute ist. Ein Marktplatz, über den zwei Bundesstraßen führten – die B12 und die B 299. Ein Verkehrstohuwabohu, das man sich heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann.“

Highlight: Abend der Barmherzigkeit

Wo einst Autos kreuzten, haben sich an diesem Freitagmittag zwei junge Frauen auf einer kleinen Wiese niedergelassen. Luana und Miriam haben sich auf dem Forum kennengelernt und überlegen gemeinsam, was sie bis Sonntag von dem vielfältigen Programm mitnehmen wollen. Einmal am Tag – zu unterschiedlichen Zeiten – wird die heiligen Messe gefeiert. Die Highlights des Forums sind am Freitagabend der „Abend der Barmherzigkeit“ in der Basilika mit Musik und Anbetung und der große Abschluss-Gottesdienst am Sonntagvormittag, bei dem ein Schwarm von Tauben in den Himmel steigen wird.

Die 23-jährige Miriam ist ganz spontan aus Berlin angereist, Luana stammt aus der Nähe von Würzburg und kennt den Ablauf des Forums aus früheren Jahren: „Ich war als Kind  oft mit meiner Mama hier und wollte deshalb wieder mit dabei sein – das Treffen mit vielen Jugendlichen finde ich toll,“ erzählt die 20-jährige. Beide Frauen gehören der Gemeinschaft nicht an, fühlen sich ihr aber sehr verbunden.

Größte Veranstaltung der Gemeinschaft

Die Euphorie, sich nach zwei Jahre wieder „live“ in der besonderen spirituellen Atmosphäre des Pilgerortes begegnen und miteinander den Glauben feiern zu können, ist allgemein groß. Im deutschsprachigen Raum ist das Forum in Altötting die größte Veranstaltung der Gemeinschaft. Es war Anfang der 1990er Jahre, als  Jugendliche auf dem Weg zum Weltjugendtag den Ort für sich entdeckten und die ersten Foren nur für junge Menschen veranstalteten.

Der liebe Gott erledigte den Rest: „Zu jener Zeit suchten der Bürgermeister und der Stadtpfarrer von Altötting nach einer Möglichkeit, die Wallfahrt zu verjüngen – so kamen die Stadt und wir als Gemeinschaft zusammen. Das ist wirklich  Fügung gewesen,“ erzählt Rosalinde Meusburger. Während Corona wurde das Treffen nicht etwa ausgesetzt, sondern nur anders gestaltet. Mit dem „Forum dahoam“ fand die Begegnung 2020 virtuell von zu Hause statt, im vergangenen Jahr wurde das Forum auf 23 Standorte in ganz Deutschland mit je hundert Menschen verteilt. Und nun darf wieder unterm weiß-blauen Himmel gefeiert, gebetet – und gesungen werden: Jesus lebt.

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Esther von Krosigk Bischof Gemeinschaft Emmanuel Pfarrer und Pastoren Päpste Weltjugendtag

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