In der französischen Tageszeitung „Le Figaro“ verurteilt der Bischof von Nanterre, Matthieu Rougé, die Attacken von jungen Muslimen auf eine Prozession zu Ehren der Jungfrau Maria am 8. Dezember, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis. Die Lichterprozession von der Kirche Sainte-Marie-des-Fontenelles zur Kirche Saint-Joseph-des-Fontenelles sei seitens der Gläubigen „bescheiden, begeistert und friedlich“ verlaufen. Doch an einem Gebäude „tauchen plötzlich einige Personen auf“, beschreibt der Bischof den Vorfall, „zu denen ziemlich rasch zehn weitere dazustoßen, die beginnen, derbe und heftige Beschimpfungen und Drohungen auszustoßen, insbesondere gegenüber dem Pfarrer der Gemeinde – und dies auf eine Weise, wie sie eindeutig charakteristisch für den radikalen islamischen Fundamentalismus ist. Eine Fackel wird einem Prozessionsteilnehmer aus der Hand gerissen und sodann auf den Rücken eines anderen geschleudert“.
Kein "harmloser Zwischenfall"
All dies hätte eine „traumatisierende Erinnerung und ein beunruhigendes Signal“ bleiben können, wenn nicht Tweets zwei Tage später innerhalb weniger Stunden die sozialen Netzwerke in Aufruhr versetzt und einen „wahren medienpolitischen Sturm“ entfacht hätten, so Bischof Rougé weiter im Figaro: „Botschaften voll der Empörung und Unterstützung, seitens von Influencern oder politisch Verantwortlicher, haben sich mit großer Geschwindigkeit vermehrt, während die Print- und Rundfunkmedien auf den Ernst der ausgestoßenen Drohungen hinwiesen“.
Welche Lehren sind aus diesem Ereignis zu ziehen, fragt der Oberhirte von Nanterre weiter. Es handle sich nicht um einen „harmlosen Zwischenfall“, betont er. Die sozialen Netzwerke hätten gut daran getan, dies „nicht zu verschweigen. Die Reaktionsbereitschaft der Amtsträger aller staatlichen Ebenen zeigt deutlich, dass diese Gewaltausbrüche als wirklich bedeutsam für die äußerst tiefgehenden Risse betrachtet werden, die Gefahr laufen, unsere Gesellschaft zu sprengen“.
Vielleicht meinten manche, so der Bischof weiter, „dass es besser gewesen wäre, jegliche Prozession zu unterlassen, dass es klüger gewesen wäre, jegliche Glaubensbekundung im Außenbereich zu vermeiden, insbesondere in den sogenannten sensiblen Stadtvierteln. Doch dies würde tatsächlich bedeuten, die reale Möglichkeit einer friedlichen Koexistenz aller auf unserem gesamten Staatsgebiet aufzugeben“.
Der öffentliche Raum gehört allen
Es sei nicht akzeptabel, stellt Bischof Rougé weiter fest, dass „einige auf einem Teil unseres Staatsgebietes mit Gewalt zu unerwünschten Personen erklärt werden, insbesondere aus konfessionellen Beweggründen. Der öffentliche Raum gehört per Definition allen, und jeder muss dort voll und ganz respektiert werden“. Die muslimischen Verantwortlichen des Stadtviertels hätten laut Bischof Rougé „sogleich ihre Solidarität mit den schockierten Gemeindemitgliedern zum Ausdruck gebracht“.
Sodann äußert Rougé einige kritische Bemerkungen mit Blick auf die sozialen Netzwerke. Diese könnten zwar „zur Wahrheitsfindung beitragen, doch sie begünstigen auch die Überbietung oder Mühelosigkeit der Reaktionen ohne ein wirkliches Nachdenken. Ich finde es eigenartig, dass manche hohen Führungskräfte – nicht alle, wie ich betonen möchte - nur auf den sozialen Netzwerken reagieren, ohne sich die Zeit für einen persönlich gestalteten Aufruf zu nehmen. Wenn die sozialen Netzwerke das demokratische und brüderliche Gespräch vor Ort ersetzen“, werde der öffentliche Raum „selbst zu einer Art Niemandsland, das jeglichen Gewalttätigkeiten überlassen wird. Wenn die online aufgewendete Energie in rechtliche und erzieherische Schritte vor Ort investiert würde, stünde unsere Gesellschaft nicht schlechter da. Die bescheidene Lichterprozession in Nanterre wurde für einen Augenblick von Gewalttätigkeiten unterbrochen, die es in unserem Land nicht geben sollte und gegen die wir das Mittel finden müssen, um sie entschieden zu bekämpfen“. DT/ks
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