Das Moskauer Patriarchat betrachtet die Ukraine als Wiege der russischen Christenheit und als Teil ihres kanonischen Territoriums. Das weckt in Kiew Misstrauen und spielt der 1992 abgespaltenen „Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats“ in die Hände. Seit sich der Erste unter den orthodoxen Patriarchen und Nachfolger des Apostels Andreas, der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, der gespaltenen Orthodoxie in der Ukraine annimmt, fliegen zwischen ihm und Moskau die Fetzen: Jetzt geht es um den Zusammenhalt der weltweiten Orthodoxie.
Konstantinopel will Ukraine die volle kirchliche Unabhängigkeit von Moskau gewähren
Ein Brief von Bartholomaios an den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko in Kiew räumt jeden Zweifel aus: Konstantinopel will den Wunsch der ukrainischen Politik erfüllen und der Ukraine die volle kirchliche Unabhängigkeit von Moskau gewähren. Nun bekräftigte Bartholomaios in Istanbul: „Es ist die Zeit gekommen, dass die Ukraine den Status der Autokephalie erhält – trotz der bestehenden Reaktionen... und das wird geschehen, denn die Kirche hat ein Recht darauf.“
Zu seiner eigenen Rolle sagte er: „Das Ökumenische Patriarchat hat das Recht, die Autokephalie zu verleihen.“ Russlands Orthodoxie schäumt: Kleriker und Theologen werfen Bartholomaios Amtsmissbrauch, un-orthodoxes Verhalten und eine „papistische“ Überdehnung seines Amtes vor. Der mächtige Außenamtschef der russischen Orthodoxie, Metropolit Hilarion Alfejew, spricht von „papistischer Selbstdarstellung“.
Moskaus Vertreter boykottieren alle Bischofskonferenzen und Dialogtreffen
Russlands Heiliger Synod beschloss faktisch die Aufkündigung der Eucharistiegemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat: Künftig wird es keine Konzelebration der Bischöfe mehr geben. Moskaus Vertreter boykottieren alle Bischofskonferenzen und Dialogtreffen, bei denen Vertreter des Ökumenischen Patriarchen präsidieren. Das betrifft nicht nur die Orthodoxen Bischofskonferenzen der USA, Deutschlands, Österreichs und vieler Staaten in der orthodoxen „Diaspora“, sondern auch katholisch-orthodoxe Ökumene-Treffen. Moskau droht zudem, andere orthodoxe Kirchen auf seine Seite zu ziehen und gegen Bartholomaios zu mobilisieren.
DT/sb
Warum die Zeichen in der Orthodoxie auf Sturm stehen: Lesen Sie darüber einen ausführlichen Bericht sowie ein exklusives Interview mit dem Vorsitzenden der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos Lambardakis, in der aktuellen Ausgabe der "Tagespost" vom 27. September.