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Kein spezielles katholisches System schaffen

Berliner Generalvikar lehnt kirchlichen Sonderweg bei der Entschädigung von Missbrauchsopfern ab.
Pater Manfred Kollig SSCC
Foto: Erzbistum Berlin | Pater Manfred Kollig, Generalvikar des Erzbistums Berlin, lehnt katholische Sonderwege bei der Entschädigung von Missbrauchsopfern ab.

Der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Pater Manfred Kolleg, hat sich gegen ein „spezielles katholisches System“ bei der Entschädigung von Opfern sexuellen Missbrauch ausgesprochen. In einem am Freitag von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) verbreiteten Interview sagte Kolleg: „Wir müssen alles tun, damit die Wunden der Opfer heilen können - wissend, dass immer Narben bleiben werden. Ob das mit finanziellen Leistungen geht, muss man sehen. Aber wenn wir uns als Kirche für diesen Weg entscheiden, dann sollten wir kein spezielles katholisches System schaffen. Wir sollten uns beraten mit anderen betroffenen Institutionen und auch mit der Bundesregierung. Ich kann mir keinen katholischen Alleingang bei den Entschädigungen vorstellen.“

Das österreichische Modell als gangbarer Weg

Im österreichischen Modell sieht der Berliner Generalvikar einen gangbaren Weg auch für Deutschland. In der Alpenrepublik wurde für die Entschädigung von Missbrauchsopfern ein nationaler Fonds eingerichtet. An diesem beteiligt sich die Kirche. Kollig begrüßte an diesem Modell, dass „dann für alle Opfer eine Gesamtverantwortung entsteht.“ Es könne ja nicht sein, dass es bevorzugte und benachteiligte Opfer gibt. Für den Berliner Generalvikar besteht die große Herausforderung darin, einen Weg einer gerechten Verteilung zu finden. „Und zur Gerechtigkeit gehört auch eine faire Abwägung zwischen den berechtigten Anliegen der Opfer und dem Auftrag der Institution. Ich respektiere die Forderungen der Opfer, aber ich muss das ganze Volk Gottes im Blick haben und dafür sorgen, dass die Kirche weiterhin ihren Auftrag erfüllen kann“, betonte Koller.

Einen andere Möglichkeit als den Rückgriff auf Kirchensteuereinnahmen für die Opferentschädigung sieht Koller für das Erzbistum Berlin nicht. „Wir in Berlin hätten keine andere Möglichkeit, denn fast all unsere Einnahmen kommen aus der Kirchensteuer. Staatliche zweckgebundene Zuschüsse - beispielsweise zur Refinanzierung unserer Schulen - können wir jedenfalls nicht dafür verwenden.“ 

„Wo soll denn das Geld herkommen? Selbst wenn ich auf andere Töpfe zurückgreife, ist das ja auch Geld, das dem Volk Gottes gehört." 
Pater Manfred Kolleg, Generalvikar des Erzbistums Berlin

Den Unmut von Kirchenmitgliedern, die es unerträglich finden, dass mit ihren Beiträgen die Verbrechen von Priestern entschädigt werden sollen, kann Koller nachvollziehen. „Das verstehe ich, denn eigentlich ist die Kirchensteuer nicht als eine Art Haftpflicht für die Priester da. Aber andererseits sagt mir mein Realitätssinn: Wo soll denn das Geld herkommen? Selbst wenn ich auf andere Töpfe zurückgreife, ist das ja auch Geld, das dem Volk Gottes gehört. Das gilt auch für den sogenannten Bischöflichen Stuhl. Es gibt nur das eine Geld der Kirche.“

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Zuvor hatte sich der Sprecher des „Eckigen Tisches“ von Missbrauchsopfern, Matthias Katsch, zu Wort gemeldet und und die fehlende Unterstützung von Katholiken beklagt, die kein Kirchenamt innehaben. So habe es etwa vom Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) „kein Zeichen der Unterstützung gegeben“, sagte Katsch nach KNA-Angaben am Donnerstabend in Berlin. Auch aus der Politik habe sich niemand „eindeutig auf die Seite der Betroffenen gestellt“. Katsch hatte sich bei der Vorstellung seines Buches „Damit es aufhört“ geäußert.

DT

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