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Die den neuen Weg gehen

Seit 1998 verstärken Geistliche des Neokatechumenats aus dem Priesterseminar „Redemptoris Mater“ die Seelsorge in Berlin. Von Josef Bordat
Erzbischof Heiner Koch mit Mitgliedern des Seminars "Redemptoris Mater"
Foto: PRM | Weltkirche in Berlin: Berlins Erzbischof Heiner Koch mit Mitgliedern des Seminars „Redemptoris Mater“.

Hóla, qué tal?“ Schon am Eingang wird deutlich: Wer Spanisch kann, ist klar im Vorteil. Und wer über einen guten Orientierungssinn verfügt, auch. Das Priesterseminar „Redemptoris Mater“ des Neokatechumenalen Wegs liegt am Rande des Berliner Randbezirks Biesdorf. Dabei muss sich hier niemand verstecken: Was hier in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf die Beine gestellt wurde, ist in Sachen Neuevangelisierung vorbildlich. 1998 weihte der damalige Erzbischof von Berlin, Georg Kardinal Sterzinsky, das Seminar ein. Daraus sind bisher 37 Priester und drei Diakone hervorgegangen. Für Berliner Verhältnisse ein echter Aufbruch.

Die Anfänge des „Redemptoris Mater“ Berlin gehen auf den Herbst 1991 zurück: Auf Bitte von Papst Johannes Paul II. und unter Vermittlung des damaligen Kurienpräfekten Josef Kardinal Ratzinger eröffnet Berlins Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky zunächst einen Kurs von 24 Seminaristen aus aller Welt, die provisorisch bei Familien der Neokatechumenalen Gemeinschaften untergebracht wurden. 1993 erfolgte dann die Gründung des „Internationalen Seminarkurs Redemptoris Mater“, der in Berlin-Lichterfelde eine vorübergehende Bleibe fand.

Bei seinem Besuch 1996 in Berlin segnete Papst Johannes Paul II. den Grundstein für das neue Priesterseminar in Biesdorf, einen Stein, der dem Grab des Heiligen Petrus entnommen ist. Am Fest der Verkündigung des Herrn 1998 weihte Kardinal Sterzinsky das neue Seminargebäude ein und wandelte den Seminarkurs in ein auf Dauer angelegtes Priesterseminar „Redemptoris Mater“ um. Seitdem studieren hier junge Männer Philosophie und Theologie, um sich auf ihre Aufgabe als Priester vorzubereiten. Die Studien finden mit Hilfe der päpstlichen Universität Gregoriana statt.

Etwa fünfzehn Ehrenamtliche unterstützen das Priesterseminar in Verwaltung, Sekretariat, Küche, Wäscherei und Garten. Auch beim Erlernen der deutschen Sprache erhalten die zumeist aus dem Ausland stammenden Seminaristen ehrenamtliche Hilfe; fünf der elf derzeit im Haus lebenden Seminaristen haben Spanisch als Muttersprache. Aus dem internationalen Berliner Seminar „Redemptoris Mater“ sind bisher 37 Priester und drei Diakone (Stand: Pfingsten 2018) hervorgegangen, die größtenteils im Erzbistum Berlin tätig sind.

Der Neokatechumenale Weg ist ein anerkanntes Charisma der Katholischen Kirche, dessen Statuten als „Itinerarium christlicher Formation“ für Erwachsene 2008 endgültig approbiert wurden. Das Charisma des Neokatechumenalen Weges besteht darin, einen Katechumenat für Erwachsene nach der Taufe in den Pfarreien zu eröffnen. Die Anfänge des Neokatechumenalen Weges liegen in den Baracken der spanischen Hauptstadt Madrid, in die der Künstler Kiko Argüello 1964 zog. Dort stieß die Missionarin und Chemikerin Carmen Hernandez zu ihm. Um die beiden Gründer der neuen Weges entstand die erste Gemeinschaft, die sich zu Wortliturgien und Eucharistiefeiern traf. 1968 gingen Kiko Argüello und Carmen Hernandez nach Rom und die erste römische Neokatechumenale Gemeinschaft entstand nach einer Grundkatechese von mehreren Wochen.

„Die Praxis in der Urkirche sah als Vorbereitung für die Taufe eine lange (dreijährige) Einführung vor, einhergehend mit Katechesen, der Teilnahme an der Liturgie und einer Änderung des Lebenswandels“, erläutert der Subregens des Berliner Seminars, Marc-Anton Hell. „Wir befinden uns heute in einer Zeit, die von einem schleichenden Glaubensabfall oder aber totaler Unkenntnis des Christentums gekennzeichnet ist. Im Vergleich zu Zeiten, in denen die christlichen Volkskirchen überall präsent waren und ein christliches Klima schufen, die eine Glaubensweitergabe an die nächste Generation erleichterten, ist jetzt wieder eine existenzielle Einführung ins Christsein notwendig, die keine Voraussetzungen hat. Der Neokatechumenale Weg ist ein Angebot, das auf diese Situation reagiert.“

Weltweit gibt es gut 25 000 Gemeinschaften in etwa 1 500 Diözesen auf allen fünf Kontinenten. Auch in Deutschland, auch in Berlin. Über einen Freund lernte das Ehepaar Toni und Bruna Spandri aus Venedig Anfang der siebziger Jahre Kiko Argüello und den Neokatechumenalen Weg kennen. Da sie zu dieser Zeit auch in Regensburg bei dem damaligen Professor für Dogmatik und späteren Papst Joseph Ratzinger Theologie studierten, kam es mit ihm zu einem Austausch darüber. Nach einem Treffen mit Kiko Argüello holte Ratzinger den Neokatechumenalen Weg nach Deutschland, indem er ihn befreundeten Priestern der Erzdiözese München und Freising empfahl. So entstanden 1974 in zwei Pfarreien die ersten beiden Neokatechumenalen Gemeinschaften Deutschlands.

Heute gibt es 91 Gemeinschaften in 33 Pfarreien in 16 deutschen Diözesen. Bereits im Jahr 1975 wurden die beiden ersten Grundkatechesen im damals geteilten Berlin gehalten: In der Fastenzeit im Westteil und in der Adventszeit im Ostteil. Die Personen, die damals vor mehr als vierzig Jahren den ersten beiden Gemeinschaften angehörten, bildeten seit dem Fall der Berliner Mauer gemeinsam die älteste Gemeinschaft Berlins, die in der Pfarrei Bruder Klaus beheimatet ist. Mittlerweile gibt es in Berlin zwölf Gemeinschaften in acht Pfarreien.

Aus dem Neokatechumenalen Weg sind bislang weltweit 123 internationale und missionarische Diözesanseminare „Redemptoris Mater“ hervorgegangen; in Deutschland sind es zwei: Neben dem Berliner Seminar gibt es noch eine Ausbildungsstätte in Köln. Wenn in der letzten Dekade nur ein einziger Seminarist jährlich aus jedem „Redemptoris Mater“ zum Priester geweiht worden wäre, so ginge derzeit rund ein Viertel aller neuen Diözesanpriester weltweit aus dem Neokatechumenalen Weg hervor. Ein beeindruckender Beitrag zur Neuevangelisierung. Der liegt aber nicht nur an den Zahlen. „Da sich die Ausbildungshäuser aus Studenten verschiedenster Nationen zusammensetzen, sind sie international“, so Subregens Marc-Anton Hell. „Damit wird weltkirchliche Gemeinschaft erlebt und eingeübt.“ Schließlich seien die Seminare missionarisch, da die Seminaristen eine spezifische Ausbildung auf die Neuevangelisierung hin erhielten. „Sie werden darauf vorbereitet, in Absprache mit ihrem Bischof überall dorthin zu gehen, wo evangelisiert und der Glaube verbreitet und erneuert werden muss.“ Der richtige Ansatz für eine glaubensschwache Gesellschaft. Oder, wie man hier in Biesdorf sagt: „Muy bien! – Sehr gut!“

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