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Wallfahrtsrektor: „So hat Gott die  Welt nicht gewollt“

Leo Palm , Wallfahrtsrektor von Banneux sieht in der „Jungfrau der Armen“ eine Fürsprecherin gegen den Nationalismus. 
Bei der Jungfrau der Armen sind alle Nationen willkommen.
Foto: GAC (imago stock&people) | Bei der Jungfrau der Armen sind alle Nationen willkommen.

Herr Wallfahrtsrektor, was feiern wir in diesem Jahr genau in Banneux?

2024 feiern wir den 75. Jahrestag der Anerkennung der Marienerscheinungen. Diese hatte sechzehn Jahre auf sich warten lassen, bis die Kirche gesagt hat: Ihr könnt euch darauf verlassen, dass in Banneux kein Humbug getrieben, sondern dass die Muttergottes wirklich erschienen und dass die Botschaft für die Kirche und für die Christen lebensnotwendig ist. 

Interessant ist, dass die Muttergottes sowohl in Banneux als auch in Beauraing erschienen ist, also nur 120 Kilometer voneinander entfernt – und mehr oder weniger zur gleichen Zeit. Wie erklären Sie sich das?

In der Tat: Die Muttergottes ist erst in Beauraing erschienen. 33 Mal hat sie sich fünf Kindern gezeigt. Mitunter waren 20.000 Leute anwesend. Die Zeitungen waren damals voll mit Berichten darüber. Die Erscheinungen fanden zwischen dem 29. November 1932 und dem 3. Januar 1933 statt. Da ist es natürlich sehr überraschend, dass schon zwölf Tage später die Muttergottes erneut in der Wallonie erschien, und zwar hier in Banneux. Das war der Sache nicht dienlich, denn man hat zunächst gedacht, Mariette Beco, die die Muttergottes hier gesehen hat, sei vielleicht nur eine Trittbrettfahrerin. Gerade weil die Zeitungen voll waren mit Berichten aus Beauraing, hatte man den Verdacht, dass sich das Mädchen alles nur einbildete. Doch das ist nicht die einzige Verbindung zwischen Beauraing und Banneux. Es gibt noch einen wichtigen weiteren Bezug.

Welchen?

Der Priester, der hier in Banneux tätig war, ist schon am 31. Dezember 1932 nach Beauraing gepilgert. Er hatte von den angeblichen Erscheinungen dort gehört, und so war er am Abend einer davon sogar anwesend, zusammen mit seinem Bruder, der auch Priester und als Lehrer in einer Schule tätig war. Die beiden sind sogar noch vor Ort geblieben, als am Abend 165 Ärzte und Psychologen die Kinder, denen die Muttergottes erschienen war, ins Verhör nahmen. 

Was ergab sich dort?

Die Meinungen gingen natürlich krass auseinander. Die einen meinten, dass da etwas dran sein könnte, andere wiederum sagten, das sei Humbug. Als die beiden Brüder dann wieder zurück nach Hause kamen, berichteten sie den Leuten hier aus der Gegend. Als letzte Botschaft sagte die Muttergottes zu einer der kleinen Seherinnen in Beauraing: „Ich werde die Sünder bekehren“. So kamen die Menschen in Banneux auf den glorreichen Einfall, dass es dieses Zeichen gäbe, wenn sich hier bei ihnen ein Sünder bekehrte, denn es gab ja genug davon. Sie waren sogar so tollkühn, sich einen Sünder auszuwählen. Denn eine junge Frau hier aus Banneux war in einen Orden eingetreten, obwohl der Vater sich mit Händen und Füßen gegen diese Berufung gewehrt hatte.

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Daraufhin hieß es, wenn sich dieser Vater zur Berufung seiner Tochter etwas positiver aufstellt, dann betrachten wir das als Bekehrung. Nun, was aus diesem Vater geworden ist, das wissen wir nicht, Doch als der Priester am Montag, den 16.1.1933 von Erscheinungen im Garten der Familie Beco hörte, konnte er es nicht fassen, denn er wollte ja ein Zeichen sehen. Er hatte es niemandem gesagt, doch er befand sich zuvor in einer ganz tiefen Glaubenskrise. Schlussendlich ist jener Priester hier bekehrt worden. Er bat Mariette, die schöne Dame um ein Zeichen zu bitten, falls sie ihr noch einmal erschiene. Und so kam es am 15. Februar. Die Muttergottes, antwortete auf diese Bitte: „Glaubt an mich, ich werde an euch glauben“. Diese Worte aus ihrem Mund haben den Priester so tief berührt und sogar erschüttert, dass all seine Zweifel plötzlich verflogen und sein Glauben gefestigt war. Noch an seinem Todestag erklärte er, das größte Wunder von Banneux sei seine eigene Bekehrung.

Was kann uns ein Marienerscheinungsort heute geben?

1933 war die wirtschaftliche und soziale Lage relativ kompliziert. Es gab keine soziale Absicherung: Wer keine Arbeit hatte, stand arm da. Dann erscheint hier in Banneux plötzlich die Muttergottes und gibt auf Mariettes Frage „Wer sind Sie, schöne Dame?“ zur Antwort „Ich bin die Jungfrau der Armen“. Eine ganz neue Bezeichnung, den man der Muttergottes zuvor nie gegeben hatte. Sie gibt sich diesen Namen selbst und stellt sich also resolut an die Seite der Armen. Ich denke, das ist schon ganz wichtig, jedenfalls so lange wie es Armut gibt. Leider Gottes fürchte ich, dass man die Armut niemals ausmerzen wird.

Welche Rolle spielt die Jungfrau der Armen in der heutigen Zeit? 

Vielleicht geht es uns Belgiern nicht so schlecht wie vielen anderen, aber dieser Name „Jungfrau der Armen“, der berührt die Herzen, gerade in weniger entwickelten Regionen der Welt, den sogenannten Schwellenländern. Wir haben hier aus Banneux schon mehr als 7000 Marienstatuen als Geschenke in alle Welt versandt, weil viele Menschen nicht die Möglichkeit haben, zu uns zu kommen. Und weil das ungerecht ist, hat man gesagt: Wenn ihr nicht zur Jungfrau der Armen kommen könnt, dann kommt sie eben zu euch. Dazu kommen noch die vielen, die Statuen von hier mitgenommen haben. Natürlich haben wir das Glück, dass sich Menschen finden, die uns dabei finanziell unterstützen. Die Jungfrau der Armen, das ist eine Sache. Es gibt aber auch die Quelle – sie ist für die Kranken, sagte die Muttergottes. Kranke wird es leider auch bis ans Ende der Zeit geben.

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Und sie fügte hinzu: Diese Quelle ist für alle Nationen. Das sagte sie in dem Monat, in dem Adolf Hitler in Deutschland die Macht ergriff. Sie stemmte sich also gegen jede Form von Nationalismus und sagt: Nein, so hat Gott die Welt nicht gewollt. Er will nicht, dass ein Volk über den anderen Völkern steht, dass eine Rasse sich über andere Rassen erhebt, dass eine Sprache überheblich wird. Gott möchte alle Völker zu einem Gottesvolk zusammenführen. Da ist schon der Aspekt Kirche gegeben. „Taucht eure Hände an der Quelle in das Wasser“, sagte sie. Für mich ist das schlicht und einfach eine Erinnerung an die Taufe. Jesus sagt: „Geht zu allen Nationen, zu allen Völkern, und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Die Quelle erinnert uns schlicht und einfach an die Taufe. Und heute kommen Christen aus aller Herren Länder hierher. Man kann daran erkennen, welche Pläne Gott für unsere Welt hat. Er möchte bestimmt keinen Nationalismus, sondern er möchte, dass alle Nationen in Gerechtigkeit und Frieden zusammenfinden. Das ist natürlich ein Projekt, an dem noch viel zu arbeiten ist.

Was erwartet denn Pilger, die in diesen Tagen nach Banneux kommen? 

Die Marienerscheinungen von Beauraing wurden am 2. Juli 1949 offiziell anerkannt. Bei uns in Banneux war es am 22. August 1949. Weil dieser zeitliche Bezug besteht, möchten wir das gemeinsam feiern. Da bietet sich der Sommer eher an als der Winter. Also werden wir die Anerkennungen zwischen dem 15. August und dem 31. August feierlich begehen. Am 15. August wird an beiden Orten mit den Pilgern das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel begangen. Es bieten sich aber noch zwei weitere Feste an. Am 22. August findet in Beauraing das große Fest der Krönung Mariens im Himmel statt, denn die Muttergottes hat sich dort mit einer Krone gezeigt und sie hat auch ihr goldenes Herz gezeigt. „Ich bin die unbefleckte Jungfrau“, hat sie gesagt. So werden wir an jenem Tag mit Bussen von hier nach Beauraing pilgern.

Am 31. August ist dann das Fest Maria Mittlerin. Das ist ein typisch belgisches Marienfest. Als aufgrund der Erscheinungen von Banneux ein Kardinal versucht hatte, in Rom dieses Fest in der Weltkirche durchzusetzen, ist dies zwar kein neues Dogma geworden, doch der Papst hat uns Belgiern gestattet, es zu feiern. So begehen wir es hier am 31. August, das passt doch sehr gut. An jenem Tag erwarten wir dann Pilger aus Beauraing hier. Wir hoffen aber auch, dass noch ganz viele andere kommen und an diesem Tag hier mit uns morgens eine internationale Messe feiern. Wenn ich international sage, ist es eigentlich eine belgische Messe, denn wir feiern in den drei Landessprachen Französisch, Flämisch und Deutsch. Und wir haben das Glück, dass dann der neue Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Luc Terlinden, der Messe vorstehen wird. Am Nachmittag wird er dann Kranke segnen, ebenfalls in den drei Sprachen. Abends veranstalten wir eine Lichterprozession.

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