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Kirchenfremdes Klassendenken

Sind Frauen in der Kirche Bürger zweiter Klasse? Nein!, sagt das Kirchenrecht.
Zugwaggon
Foto: „Goa Express“ / Wikipedia | „Es ist wichtig noch einmal zu unterstreichen, dass das Kirchenrecht keine Mitgliedschaft zweiter Klasse im Volk Gottes kennt.“

Fünfundzwanzig Jahre ist es nun her, dass der heilige Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ vom Pfingstfest 1994 festgestellt hat, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“. Damit bestätigt er die Tradition der Kirche, wie sie auch schon in der Erklärung der Glaubenskongregation „Inter insignores“ vom 15. Oktober 1976 zum Ausdruck kam: In Treue zum Vorbild Jesu und der Apostel ist die Kirche nicht dazu berechtigt, Frauen die Weihe zu spenden.

Die Diskussion um eine mögliche Zulassung von Frauen zum Weiheamt in der Kirche ist aber trotz der Entscheidung Johannes Pauls II. nicht verstummt und konzentriert sich in letzter Zeit vor allem auf die Frage nach der Möglichkeit der Zulassung von Frauen zur Diakonenweihe. Zum Studium dieser Frage hat Papst Franziskus eine Kommission eingesetzt und über die Ergebnisse ihrer Arbeit, die sich nicht von den Ergebnissen der Internationalen Theologenkommission von 2002 unterscheiden, auf dem Rückflug von Skopje nach Rom am 7. Mai sowie bei der Begegnung mit den Ordensoberinnen am 21. Mai berichtet.

Auch diese Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die „Diakoninnen“, die es in einzelnen Teilkirchen für eine bestimmte Zeit gegeben hat, von Weihe und Verständnis her nicht mit den Diakonen im heutigen Verständnis identisch waren. „Die Weihe war keine sakramentale Formel, es war sozusagen … wie heute die Benediktion einer Äbtissin, ein besonderer Segen für den Dienst.“ Auch Papst Franziskus argumentiert in diesen Zusammenhang ausgehend von der Tradition der Kirche und der Treue zur Offenbarung: „Wenn ich sehe, dass das, was ich jetzt denke, in Verbindung mit der Offenbarung steht, dann ist es gut. Wenn es jedoch etwas Fremdes ist, das nicht in der Offenbarung ist – oder auch im moralischen Bereich, das nicht der Moral entspricht –, dann geht es nicht. Daher müssen wir im Fall des Diakonats danach suchen, wie es zu Beginn der Offenbarung war, ob es dort etwas gab, es wachsen, es ankommen zu lassen … Wenn dort nichts war, wenn der Herr den Dienst nicht gewollt hat, dann geht der sakramentale Dienst für die Frauen nicht.“ Im Grunde bestätigt er damit, was das Kirchenrecht in can. 1024 festlegt: „Die heilige Weihe empfängt gültig nur ein getaufter Mann.“ Entsprechend einem Dekret der Glaubenskongregation vom 19. Dezember 2007 zieht sich „jeder, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht, die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation latae sententiae zu“.

Bedeutet aber dieser Ausschluss der Frauen vom Weiheamt, dass sie in der Kirche „Glieder zweiter Klasse“ sind? Das Kirchenrecht hat auf diese Frage eine sehr eindeutige Antwort: Nein! Wer die Kirche aus dem Blickwinkel der Funktionalität sieht, wonach es allein auf die ausgeübte Tätigkeit ankommt, versteht das Wesen der Kirche nicht. Um die Kirche zu begreifen, braucht es den Blick des Glaubens: Es geht nicht primär um Funktionen, sondern um die Gemeinschaft mit Gott, die im Himmel vollendet wird, aber auf Erden durch Vermittlung der Kirche beginnt. Diese communio des Volkes Gottes ist in Christus gleichsam Sakrament, „das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). Wie in einem lebendigen Organismus gibt es verschiedene Glieder, aber alle sind auf dasselbe Zeil hingeordnet. Dies spiegelt sich auch im Kirchenrecht wider, das von einem „Klassendenken“ weit entfernt ist..

In Anlehnung an die Konzilskonstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ heißt es in can. 208 CIC: „Unter allen Gläubigen besteht, und zwar aufgrund ihrer Wiedergeburt in Christus, eine wahre Gleichheit in ihrer Würde und Tätigkeit, kraft der alle je nach ihrer eigenen Stellung und Aufgabe am Aufbau des Leibes Christi mitwirken.“ Nicht das Weihesakrament ist das unterscheidend Christliche, sondern die Taufe: „Gläubige sind jene, die durch die Taufe Christus eingegliedert, zum Volke Gottes gemacht und dadurch auf ihre Weise des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi teilhaft geworden sind, sie sind gemäß ihrer je eigenen Stellung zur Ausübung der Sendung berufen, die Gott der Kirche zur Erfüllung in der Welt anvertraut hat“ (can. 204 §1 CIC).

Je nach ihrer eigenen Stellung sollen daher alle Gläubigen an der einen Sendung der Kirche mitwirken und dazu beitragen, „dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu den Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt“ (can. 211 CIC), wozu sie auch „apostolische Tätigkeiten in Gang setzen und unterhalten“ können (can. 215 CIC).

Der in der Taufe grundgelegten wahren Gleichheit in Würde und Tätigkeit bei der Teilnahme an der Ausübung der Sendung der Kirche steht es nicht entgegen, dass es in der Kirche „kraft göttlicher Weisung … unter den Gläubigen geistliche Amtsträger [gibt], die im Recht auch Kleriker genannt werden; die übrigen heißen Laien“ (can. 207 §1 CIC). Jeder und jedem in der Kirche kommen jene Rechte und Pflichten zu, welche sich aus dem Lebensstand ergeben, zu dem er oder sie gehören.

In der Glaubensgemeinschaft der Kirche sind Kleriker und Laien daher nicht Angehörige zweier Klassen, sondern haben kraft der gemeinsamen Taufe an der Sendung der Kirche teil und sind einander zugeordnet, wie es das II. Vatikanische Konzil sagt: „Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe“ (LG 10).

Kraft der Taufe und durch das Beispiel ihres gläubigen Lebens sind die Laien, Frauen und Männer, „befähigt, … für jene kirchlichen Ämter und Aufgaben herangezogen zu werden, die sie gemäß den Rechtsvorschriften wahrzunehmen vermögen“ (can. 228 §1 CIC). Diese Aufgaben sind vielfältig: die Mitarbeit im Dienst am Wort, die Predigt außerhalb der Eucharistiefeier, die Tätigkeit als Katecheten und Religionslehrer, die Mitarbeit in der Mission ad gentes, die Tätigkeit in Lehre und Forschung, auch in den theologischen Wissenschaften, und so weiter. Laien können außerdem einige Sakramentalien und in Notfällen die Taufe spenden, mit der Assistenz bei der Eheschließung beauftragt werden und außerordentliche Kommunionspender sein.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Laien, wiederum Frauen und Männern, im Bereich der kirchlichen Verwaltung viele Ämter offen stehen, vom Kanzler und Notar der bischöflichen Kurie über das Amt des Richters, des Kirchenanwaltes und des Bandverteidigers und des Anwalts im kirchlichen Gerichtswesen bis hin zum Diözesanökonom.

„Laien, die sich durch Wissen, Klugheit und Ansehen in erforderlichem Maße auszeichnen, sind befähigt, als Sachverständige und Ratgeber, auch in Ratsgremien nach Maßgabe des Rechts, den Hirten der Kirche Hilfe zu leisten“ (can. 228 §2 CIC). Dies meint neben der Mitarbeit in Pfarrgemeinde und Diözesanräten auch die Mitgliedschaft im Vermögensverwaltungsrat auf Ebene der Pfarrei und der Diözese sowie in der Diözesansynode.

Es ist wichtig noch einmal zu unterstreichen, dass das Kirchenrecht keine „Mitgliedschaft zweiter Klasse“ im Volk Gottes kennt. Jeder Gläubige hat auf seine beziehungsweise ihre Weise Teil an der Sendung der Kirche. „Da der ewige Hohepriester Christus Jesus auch durch die Laien sein Zeugnis und seinen Dienst fortsetzen will, macht er sie durch seinen Geist lebendig und treibt sie unaufhörlich an zu jedem guten und vollkommenen Werk. Denen nämlich, die er mit seinem Leben und seiner Sendung innigst verbindet, gibt er auch Anteil an seinem Priesteramt zur Ausübung eines geistlichen Kultes zur Verherrlichung Gottes und zum Heil der Menschen. Deshalb sind die Laien Christus geweiht und mit dem Heiligen Geist gesalbt und dadurch wunderbar dazu berufen und ausgerüstet, dass immer reichere Früchte des Geistes in ihnen hervorgebracht werden“ (LG 34).

Statt Zeit und viel Energie an rein funktionale Fragestellungen zu vergeuden, die von der Logik des Machens und des Herrschens bestimmt sind, ist es an der Zeit, die in der Taufe wurzelnde Teilhabe aller an der Sendung der Kirche zum Lob Gottes und um des ewigen Heiles der Menschen willen jenseits der Unterscheidung in Kleriker und Laien immer tiefer zu verstehen. Statt eine Kirche zu basteln, die reines Menschenwerk wäre, ist es an der Zeit, die Kirche als communio mit Gott neu zu entdecken, wozu Jesus Christus seine Kirche gegründet hat. Es ist an der Zeit, den Glauben zu vertiefen und gemeinsam daran mitzuwirken, dass die Kirche als Sakrament wahrgenommen wird, „das heißt [als] Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1).

Der Autor ist habilitierter Kirchenrechtler und Sekretär des Päpstlichen Rates für die Interpretation der Gesetzestexte in Rom.

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