In Großbritannien haben Wissenschaftler Zweifel an den offiziellen Angaben des Statistikamts über die hohe Zahl an Transgender-Menschen aufgekommen. Laut dem jüngstem Zensus von 2021 sollen in England und Wales 262.000 Menschen über 16 Jahre leben, die sich als Transgender identifizieren, das sind 0,5 Prozent der Gesamtbevölkerung. Nun untersucht die Aufsichtsbehörde des Statistikamts ONS, ob diese Angaben möglicherweise falsch sind. Es sei möglich, dass die Menschen bei der Volksbefragung die Frage zum angeblichen Transgender-Sein missverstanden hätten, teilte das Office for National Statistics mit.
Kritische Untersuchung
Aufgekommen sind die Zweifel durch eine kritische Untersuchung des Soziologieprofessors Michael Biggs. Der Oxford-Wissenschaftler hat das Zahlenmaterial der Millionen Teilnehmer im Zensus genau untersucht und seltsame „Anomalien“ in der Verteilung der Antworten gefunden. Angeblich soll sich jeder 67. Moslem (1,5 Prozent) im Lande als „Transgender“ identifizieren. Unter Nichtakademikern finden sich mehr „Transgender“ als unter Akademikern. Die höchsten vermeintlichen Transgender-Bevölkerungsanteile gibt es ausgerechnet in jenen einfachen Londoner Stadtteilen Newham und Brent, in denen der Anteil der Zuwanderer, die nicht gut Englisch sprechen, besonders hoch ist.
Dort wohnen angeblich mehr Transgender als im südenglischen Seebad Brighton, das als LGBT-Hochburg gilt und wo eine Petition von Transgender-Aktivisten 2021 besonders viele Unterzeichner fand. Bei Brighton liegt auch die Universität von Sussex, in der Transgender-Aktivisten die Philosophin Kathleen Stock vertrieben haben. Menschen, für die Englisch nicht die Hauptsprache ist, machen laut den Zensusdaten ein Zehntel der Bevölkerung aus, sie sollen aber fast 30 Prozent der Transgender-Bevölkerung stellen. Biggs findet das alles merkwürdig und unplausibel.
Komplizierte Frage
Nach seiner Vermutung haben viele Befragte die komplizierte Frage im Zensus nicht verstanden. Das Statistikamt – beraten durch die LGBT-Lobbyorganisation Stonewall – hatte nämlich nicht schlicht gefragt, ob sich Menschen als „Transgender“ bezeichnen. Die Frage im Zensus lautete: „Ist das Gender, mit dem Sie sich identifizieren, dasselbe wie das Geschlecht (Sex), das bei Ihrer Geburt eingetragen wurde?“ Diese Frage sei für viele, gerade für Immigranten, wohl zu kompliziert und unverständlich gewesen. Er sei zu 99 Prozent sicher, dass ein Missverständnis der Transgender-Frage zu einer „aufgeblähten“ Zahl geführt habe, sagte Biggs gegenüber der Zeitung „The Times“.
Vor Biggs hatte schon die Soziologin Alice Sullivan vom Londoner University College in der Zeitschrift „The Spectator“ darauf hingewiesen, dass die Daten des Zensus „nicht problem-frei“ seien. In einer offenen Frage hatten 48.000 Menschen (0,1 Prozent der Bevölkerung) angegeben, sie seien „Transfrauen“ und ebenso 48.000, sie seien „Transmänner“. Sullivan fiel auf, dass laut ONS eine Mehrheit der vermeintlichen „Transfrauen“ angaben, sie seien bei der Geburt als „weiblich“ registriert worden, und die Mehrheit der vermeintlichen „Transmänner“ war schon bei der Geburt männlich. „Das erscheint komisch“, schrieb Sullivan, „denn per Definition kann eine weibliche Person keine Transfrau werden und eine männliche Person kein Transmann.“
Antwort durch Verwirrung
Auch sie sieht die Möglichkeit, dass viele Antworten durch eine Verwirrung zustande kamen. Dies könne auch daran liegen, dass das Statistikamt sich auf Drängen der Trans-Lobby nicht klar festgelegt habe, ob es nach Geschlecht (Sex) oder Gender frage. Gegenüber der „Times“ sagte Sullivan über den Zensus, es sei jammerschade, denn die Daten seien für die Forschung wichtig. Auch Sullivan geht von einer steigenden Zahl von „Transgender“-Identifizierungen besonders bei Mädchen aus. DT/chan
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