Neues Gesetz

Gender-Krieg in Schottland

Die schottische Linke hat ein Transgender-Gesetz durchgebracht, gegen das die britische Regierung ein Veto einlegt.
London schreitet gegen Gender-Gesetz in Schottland ein
Foto: Jane Barlow (PA Wire) | Befürworter des Gesetzes demonstrieren für dem Büro der britischen Regierung in der schottischen Hauptstadt Edinburgh.

Von der Tribüne des Holyrood-Parlaments in Edinburgh ertönte lautes Geschrei, als das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wurde. „Schande über euch“, riefen einige Frauen. Andere Besucher applaudierten. Das neue Transgender-Gesetz (Gender Recognition Reform Bill), verabschiedet kurz vor Weihnachten mit großer Mehrheit, stellt aus Sicht der regierenden linksgerichteten Schottischen Nationalpartei (SNP) und ihres grünen Koalitionspartners sowie anderen Linken und Liberalen einen wichtigen progressiven Meilenstein dar.

Falls das Gesetz in Kraft tritt, können Menschen, die sich als „transgender“ bezeichnen, sehr viel leichter als vorher ihren Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde ändern lassen. Sie müssen dafür nur noch drei Monate in ihrer neuen Gender-Rolle gelebt haben und nicht mehr eine medizinische Diagnose ihrer „Gender-Störung“ vorlegen. Außerdem wird die Altersgrenze von 18 auf 16 Jahre gesenkt. Das schottische Gesetz hat Ähnlichkeiten mit dem gerade in Deutschland von der Ampel-Koalition vorbereiteten Selbstbestimmungsgesetz für Transgender-Personen.

Mindestalter von 18 Jahren scheiterte

Der Versuch einiger Abgeordneten im Edinburgher Parlament, das Mindestalter für Gender-Wechsel bei 18 Jahren zu belassen, scheiterte. Ebenso der Änderungsantrag, nach dem verurteilte Sexualstraftäter nicht ihren Gender-Eintrag ändern sollten, um in ein Frauengefängnis verlegt zu werden. Kritiker, darunter die prominente Schriftstellerin J.K. Rowling, befürchten, dass Frauenrechte und Schutzräume für Frauen und Mädchen gefährdet sind. Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon (SNP) verteidigte das Transgender-Gesetz mit den Worten: „Ich werde mich niemals dafür entschuldigen, wenn ich versuche, für mehr Gleichheit zu sorgen.“

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Inzwischen ist das Gesetz aber gestoppt worden. Die britische Regierung in London hat nach einer juristischen Prüfung vergangene Woche ein Veto eingelegt – zum ersten Mal wurde damit ein Gesetz blockiert, seit das Regionalparlament in Holyrood in Edinburgh 1999 eingerichtet worden ist. Vermutlich wird die SNP-Regierung vor das Verfassungsgericht ziehen.

Damit ist eine Machtprobe zwischen Sturgeons Regierung und Premierminister Rishi Sunak entbrannt. Die Juristen in Westminster argumentieren, mit der schottischen Gender Recognition Reform Bill habe das Regionalparlament seine Kompetenzen übertreten, da das Transgender-Gesetz in das zentralstaatliche Gleichheitsgesetz (Equality Act) eingreife. Außerdem stellt das Trans-Gesetz die Einheit des Königreichs in Personenstandsfragen in Zweifel. Eine in Schottland anerkannte „Transfrau“ würde nach britischem Recht weiterhin ein Mann sein, was rechtliche Verwicklungen nach sich zieht.

Neue Bruchlinie zwischen London und Edinburgh

Nun ist in der Presse vom „Gender-Krieg“ die Rede. Dieser werde zur neuen Trennungslinie der britischen Union, so das Magazin „The Spectator“. Vielleicht hat Sturgeon diesen Konflikt vorab einkalkuliert, meinen einige Beobachter, denn er erlaubt der SNP-Strategin abermals, den nördlichen Landesteil als Opfer britischer Unterdrückung darzustellen. So sprach Sturgeon von einer „frontalen Attacke“ auf den Willen des schottischen Parlaments. Der britische Minister für Schottland, Alistair Jack (Konservative), agiere wie ein „General-Gouverneur“, donnerte die SNP-Frontfrau.

Ihrer Partei könnte der Konflikt in der Debatte um ein zweites Unabhängigkeitsreferendum nützen, das die SNP anstrebt. Andererseits ist das Transgender-Gesetz in Schottland nicht beliebt, im Gegenteil. Eine Mehrheit von 59 Prozent lehnte es ab, zeigte eine YouGov-Umfrage. Noch größer war die Ablehnung dafür, dass Minderjährige erleichtert ihren Geschlechtseintrag ändern dürfen. In England ist die Ablehnung noch höher. Auch in der SNP gab es Abweichler. Neun Abgeordnete stimmten gegen das Gesetz – so eine große Zahl wie noch nie.

Aus feministischen Kreisen kommt Kritik

Besonders in feministischen Kreisen ist die Befürchtung groß, dass selbst ernannte „Transfrauen“, die weiterhin biologische Männer sind, Zugang zu geschützten Räumen wie Umkleiden, Duschen oder Frauenhaftanstalten erhalten. Dass die Sorge nicht unbegründet ist, haben Zahlen gezeigt, über welche die „Times“ im Herbst berichtet hat. Demnach haben sich acht Straftäter in schottischen Gefängnissen nach ihrer Verurteilung zu „Transfrauen“ erklärt, was ihnen potenziell den Zugang zu Frauenhaftanstalten gibt. Sechs Transgenderpersonen in den Justizvollzugsanstalten waren verurteilte Sexualstraftäter. Seit Mitte Januar läuft vor dem High Court in Glasgow ein Prozess gegen einen mutmaßlichen Vergewaltiger, der sich heute als Transfrau identifiziert. Das führt in einigen Presseartikeln zu kuriosen Formulierungen über „die Vergewaltigerin“ und „ihren Penis“.

Der frühere schottische Justizminister Kenny MacAskill, der aus der SNP ausgetreten ist, nannte die Zahlen zu den Strafgefangenen „extrem beunruhigend“. Die Statistik belege, dass sich einige männliche Inhaftierte als Frauen deklarierten. „Das ist ein Missbrauch des Systems und eine Bedrohung für vulnerable Frauen“, sagte MacAskill gegenüber der „Times“. Befürworter des Gesetzes streiten dies ab.

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Claudia Hansen Britische Regierungen Frauenrechte

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