Der kleine Archie Battersbee ist tot. Seit April lag der 12-Jährige nach einem häuslichen Unfall im Koma. Vermutet wird, dass Archie an der teuflischen „Blackout-Challenge“ teilgenommen hat. In (a)sozialen Netzwerken wie TikTok werden dabei die Teilnehmer dazu aufgerufen, sich selbst an den Rand der Bewusstlosigkeit zu bringen. Seine Mutter soll Archie mit einem Band um den Hals bewusstlos in seinem Zimmer gefunden haben.
Keine Ferndiagnose möglich
Wie schwer das Gehirn des 12-Jährigen dabei womöglich Schaden nahm und vor allem, ob dieser tatsächlich irreversibel war, können selbst Schädel-Hirn-Trauma-Experten nicht aus der Ferne beurteilen. Dass Ärzte in Großbritannien mit seinem chronisch klammen Gesundheitssystem eher dazu neigen, Therapien früher zu begrenzen oder ganz zu beenden, als in vielen anderen Ländern der Welt, trifft zwar zu, heißt jedoch nicht, dass die behandelnden Ärzte in Archies Fall eine falsche Entscheidung trafen.
Ob sie zu Recht auf die Abschaltung der lebenserhaltenden Maßnahmen drangen und dies gegen den Willen der Eltern am Ende auch gerichtlich durchsetzten, kann deshalb nur eine gründliche Untersuchung des Falls zeigen. Die wäre schon deshalb angezeigt, um die Ärzte moralisch zu entlasten und den Eltern, die mit sich und dem Schicksal hadern, die Chance zu eröffnen, doch noch Frieden zu finden.
Der sogenannte Hirntod ist kein sicheres Todeszeichen
Generell gilt: Der sogenannte Hirntod ist kein sicheres Todeszeichen. Und weil das so ist, zählt die Hirntod-Theorie auch zu den am heftigsten umkämpften Gebieten der Bioethik. Die Weigerung der Funktionäre im Gesundheitswesen und weiter Teile der Politik, diesen Streit auf offener Bühne ergebnisoffen auszutragen, statt in Fachpublikationen vor sich hin schwelen zu lassen, ist ein Skandalon. Eines, das Vertrauen in die Medizin und die Ärzte als Leistungserbringer nachhaltig zerstört und selbst tragische Einzelschicksale wie das von Archie überstrahlt.
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