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Tod Archies: Eltern fordern Gesetzesänderung

Der Fall des 12-jährigen Archie erinnert an frühere Fälle schwerstkranker Kinder in Großbritannien, deren lebenserhaltende Maßnahmen gegen den Willen der Eltern abgebrochen worden waren.
Archie - Eltern
Foto: Jonathan Brady (PA Wire) | Die Eltern des gestorbenen Archie, Paul Battersbee und Hollie Dance, sprechen vor dem Royal London Hospital in Whitechapel, East London, zu den Medien.

Der Fall des 12-jährigen Archie, der nach einem wochenlangen juristischen Tauziehen am Samstag in einem Londoner Krankenhaus gestorben ist, hat internationale Aufmerksamkeit erregt. Archies Familie fordert nun eine Untersuchung des Falles und hofft, das Schicksal ihres Sohnes könne eine Gesetzesänderung bewirken. In einer Mitteilung der Familie, die von der BBC und anderen britischen Medien aufgegriffen wurde, heißt es: „Wir wollen, dass aus dieser Tragödie und der schrecklichen Erfahrung, die wir durch das System machen mussten, etwas Gutes entsteht.“

Die Familie sei zu einem unerbittlichen Rechtsstreit mit dem Krankenhaus gezwungen worden, um für das Lebensrecht ihres Kindes zu kämpfen, das von den Londoner Ärzten für hirntot erklärt worden war. „Kein Elternteil und keine Familie darf so etwas noch einmal durchmachen“, so Archies Eltern Hollie Dance und Paul Battersbee. Dies sei nun schon zu oft Eltern passiert, die nicht wollen, dass ihren schwerkranken Kindern die lebenserhaltenden Maßnahmen entzogen werden.

Beatmungsgeräte abgesetzt

Archie war am Samstagmittag gestorben, nachdem Medikamente und Beatmungsgeräte abgesetzt worden waren. Weihbischof Johan Sherrington, der innerhalb der britischen Bischofskonferenz für Fragen des Lebensschutzes zuständig ist, erklärt auf der Website der Bischofskonferenz, dass die dem Menschen innewohnende Würde als Person und Abbild Gottes bei jeder Maßnahme anerkannt werden müsse. Er fordert eine bessere Vermittlung zwischen Eltern und medizinischem Personal, um gemeinsame Entscheidungen zu ermöglichen und Gerichtsverfahren zu vermeiden. Wörtlich sagte er: „Die katholische Kirche erkennt zwar an, dass es Situationen gibt, in denen eine lebenserhaltende medizinische Behandlung nicht mehr obligatorisch ist und keine Hoffnung auf Genesung besteht. Trotzdem sollte eine dem Zustand des Patienten angemessene Behandlung und Pflege gewährleistet werden.“ Es sei „nichts Würdevolles daran, einem Familienmitglied oder einem Kind beim Ersticken zuzusehen. Keine Familie sollte das jemals durchmachen müssen, was wir durchgemacht haben. Es ist barbarisch“, zitiert die Nachrichtenagentur DPA die Verlobte von Archies älterem Bruder.

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Beobachter setzen den Fall Archie in Zusammenhang mit früheren juristischen Auseinandersetzungen um unheilbar schwerstkranke Kinder wie Charlie und Alfie. Bei diesen war jedoch kein Hirntod diagnostiziert worden. Der finanziell stark unter Druck stehende britische Gesundheitsdienst NHS neigt dazu, lebenserhaltende Maßnahmen sehr viel früher zu entziehen, als das etwa in Deutschland der Fall wäre. Zudem werden die Wünsche von Eltern und Angehörigen dabei nicht im selben Maße berücksichtigt. Was im besten Sinne des Patienten ist, entscheiden oft Richter auf Empfehlung von Medizinern.

Erzbischof Paglia zeigt sich betroffen

Der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia reagierte betroffen auf den Tod des 12-jährigen. „Wenn es ein Gericht ist, das über das Leben eines Menschen befindet, dann ist das eine Niederlage für die Menschlichkeit“, erklärte der Erzbischof laut Vatican News am Sonntag.

Bei einem häuslichen Unfall hatte sich Archie im April schwere Hirnverletzungen zugezogen und lag seitdem im Koma. Bei dem Unfall handelte es sich womöglich um eine Internet-Mutprobe, bei der sich Kinder oder Jugendliche selbst würgen oder anderweitig an den Rand einer Ohnmacht bringen. Die Ärzte im Royal London Hospital, wo Archie mit künstlicher Beatmung, künstlicher Ernährung und Medikamenten am Leben gehalten wurde, sahen keine Chance auf Genesung und erklärten den Jungen für hirntot. Wochenlang wehrten sich die Eltern gerichtlich gegen den Abbruch der lebenserhaltenden Maßnahmen. Nachdem der Fall alle Instanzen der britischen Rechtsprechung durchlaufen hatte, lehnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) letzte Woche, in den Fall einzugreifen.

Der Londoner High Court hatte erklärt, dass eine Weiterbeatmung nicht im Interesse des Jungen selbst liege. Bei ihrer Anrufung des Straßburger Gerichts hatten die Eltern das Recht auf Leben in der Europäischen Menschenrechtskonvention geltend gemacht. Der EGMR erklärte nach eintägiger Prüfung, dass die Bedingungen für eine Individualbeschwere nicht erfüllt seien, weshalb er nicht in die Entscheidungen der nationalen Gerichte eingreifen werde. Der High Court lehnte zuletzt auch den Wunsch der Eltern, Archie zum Sterben in ein Hospiz zu verlegen, ab.  DT/fha/dpa

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