Erst musste es ganz schnell gehen, dann wollte man sich zwischenzeitlich doch keine Deadlines für die Verhandlungen setzen, weil es ja auch gut werden sollte. Und nun sieht es aus, als stünden die Koalitionsverhandlungen doch – noch vor Ostern – kurz vor dem Abschluss. Die Spannung steigt also, welche Passagen aus den durchgesickerten Arbeitspapieren es wohl in den fertigen Vertrag geschafft haben, und welche dem Land erspart bleiben. Wobei das Sparen angesichts umfangreicher Kreditaufnahme wohl nicht im Vordergrund stehen wird.
Spaß beiseite: Schön wäre es, würden sich die Koalitionäre ein Vorhaben sparen, auf das am gestrigen Dienstag erneut die Berichterstattung über ein Gerichtsurteil des Amtsgerichts Bamberg ein unschönes Licht warf: Gegen „Informationsmanipulation sowie Hass und Hetze“ soll (gemäß dem Arbeitspapier mit den Verhandlungs-Zwischenergebnissen) die „staatsferne Medienaufsicht“ nach dem Willen der kommende Regierung offenbar noch stärker vorgehen, denn: „Die bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen ist durch die Meinungsfreiheit nicht gedeckt.“
Amtsgericht sieht Straftatbestand der Verleumdung erfüllt
Das stimmt auch, sofern sich die Aussage etwa auf den Straftatbestand der Verleumdung bezieht. Einer Verleumdung macht sich schuldig, wer „wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (…) geeignet ist“, heißt es im Strafgesetzbuch. Der Clou: Wer Politiker verleumdet, wird härter bestraft, als beginge er die gleiche Tat an einem Normalsterblichen.
Und just diese Regelung ist nun dem Chefredakteur des AfD-nahen „Deutschland Kuriers“, David Bendels, zum Verhängnis geworden. Der hatte im Februar 2024 eine Fotomontage auf Sozialen Medien geteilt, auf der Innenministerin Nancy Faeser ein Schild mit der Aufschrift „Ich hasse die Meinungsfreiheit!“ hochhält. Nicht sehr einfallsreich, aber doch nach menschlichem Ermessen stinknormale, sarkastische Regierungskritik in der guten demokratischen Tradition politischer Karikatur. Das Amtsgericht sah es jedoch anders: Eine Verleumdung sei gegeben. Also: sieben Monate Haft auf Bewährung, und: Der Beschuldigte müsse sich bei Faeser entschuldigen.
Auch wenn die schriftliche Begründung des Gerichts noch nicht vorliegt, wirkt der Vorgang doch abenteuerlich: Welcher erwachsene Mensch würde in dem Bild eine „unwahre Tatsache“, also eine reale Aufnahme vermuten? Eine klassische grundrechtlich geschützte Meinungsäußerung, sollte man meinen. Doch die Auslegungsspielräume sind offenbar weit, die Unsicherheit groß. Sollten in dieser Situation erneut rechtliche Daumenschrauben angezogen werden? Muss die Öffentlichkeit wirklich noch rabiater vor „Informationsmanipulation“ geschützt werden, wenn die bestehenden Gesetze schon jetzt Gerichten zur faktischen Einschränkung der Regierungskritik – und damit ebenjener Meinungsfreiheit, die die Innenministerin nach Einschätzung des Amtsgerichts eben nicht hasst – dienen? Sorge ist angebracht. Hoffentlich sind die künftigen Koalitionäre auf diesem Feld verantwortungsbewusster als Faeser, die – ausgerechnet als Innenministerin offensichtlich mit den liberalen Verfassungswerten auf Kriegsfuß – die Anzeige gegen Bendels, wie die „Welt“ schreibt, selbst stellte.
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