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Was erlauben Nüßlein?

Georg Nüßlein, Stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, will die „christliche Verantwortung für den Schutz und den Erhalt des Lebens“ stärken - mit einer Widerspruchslösung zur Organspende. Von Stefan Rehder
Organspende
Foto: Frank May (dpa) | Eine Mitarbeiterin der Deutschen Stiftung für Organtransplantation in Neu-Isenburg (Kreis Offenbach) hält am 18.02.2005 in einem Büro der Organisation eine spezielle Kühlbox für Spenderorgane vor das Bild eines ...

Da staunt der Laie und wundert sich der Fachmann. „Die Politik ist – auch mit Blick auf unsere christliche Verantwortung für den Schutz und Erhalt des Lebens – dazu aufgerufen, hier Lösungen zu finden“, schreibt der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Georg Nüßlein (CSU) in einem Papier. Eines, dass er nicht etwa erst seiner Fraktion, sondern gleich der Presse zuleitete. So machen das alle, die in der Sommerpause ein Thema spielen und ihren Namen in der Zeitung lesen wollen. Insoweit: Geschenkt.

Christliche Verantwortung?

Nur dass Nüßlein die „christliche Verantwortung für den Schutz und den Erhalt des Lebens“ nicht dort in Anschlag bringt, wo sie tatsächlich gefordert wäre. Etwa bei dem fortdauernden, zum Himmel schreienden Skandal massenhafter vorgeburtlicher Kindstötungen. Ein „abscheuliches Verbrechen“ (II. Vatikanische Konzil), für das Ärzte – geht es nach Linken, Grünen, und FDP – künftig sogar werben können sollen.

6-Punkte-Plan zur Organspende

Nein, Nüßlein sieht die Politik in der Pflicht etwas gegen den Rückgang von Organspendern zu unternehmen. Dazu hat er vergangene Woche einen 6-Punkte-Plan vorgelegt (siehe "Debatte um Widerspruchslösung" in der Printausgabe vom 30. August). Soweit dieser rein organisatorische Verbesserung bei der Organspende vorsieht, ist dagegen überhaupt nichts zu sagen, gilt auch hier: Geschenkt.

Nur, verströmt das Papier den Duft des Notwendigen, wenn nicht gar des Zwanghaften. Deshalb muss daran erinnert werden: Es gibt keine moralische Pflicht zur Organspende. An Organversagen zu sterben, ist kein Übel, das unter allen Umständen abgewendet werden müsste. An Organversagen zu sterben, ist der von der Natur vorgesehene Normalfall des Sterbens. Etwas, das in einer gesunden Gesellschaft daher auch nicht skandaliert gehört. Gesund sterben Menschen ohnehin nur in kranken Gesellschaften.

Keine moralische Pflicht zur Organspende

Gäbe es eine moralische Pflicht zur Organspende, müssten auch Katholiken, anstatt im Kreise ihrer Familie und mit den Sakramenten der Kirche versehen zu sterben, was freilich auch immer weniger Gläubigen gelingt, gegen Ende ihres Lebens in ein künstliches Koma versetzt werden, um künstlich beatmet auf dem OP-Tisch durch die Hand jener Chirurgen zu sterben, die ihnen die lebenswichtigen Organe entnehmen.

Dass immer weniger Menschen ihre Organe im Falle eines diagnostizierten Hirntodes spenden wollen, mag – wie Nüßlein vermutet – auch mit den Unregelmäßigkeiten und Skandalen bei der Organspende zusammenhängen, die in den letzten Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt haben. Der eigentliche Grund reicht jedoch vermutlich tiefer: Die wenigsten Menschen wollen, künstlich beamtet, auf einem kalten OP-Tisch sterben. Sie wollen ihr Leben so würdevoll wie eben möglich aushauchen. Bei Hirntoten, die künstlich beatmet werden müssen, wäre dies das Abstellen des Respirators am Krankenbett auf der Intensivstation. Im Kreise von Angehörigen, anstatt umkreist von Explanteuren.

Unverständlich: Die Widerspruchslösung

Es ist schon reichlich absurd: Da wird die „Tötung auf Verlangen“ mit dem Recht auf Selbstbestimmung begründet, also mit der Bestimmung eben jenes Selbst, das ausradiert werden soll. Bestimmt dasselbe Selbst jedoch, keine Organe spenden zu wollen, oder gar die Frage danach unbeantwortet zu lassen, sollen „Imagekampagnen“ und die Einführung der „Widerspruchslösung“ es zu einem anderen Verhalten nötigen. Das verstehe, wer will.

DT

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