Armenien sucht offenbar einen Deal mit dem Erzfeind Aserbaidschan. Bei einer Pressekonferenz deutete der armenische Ministerpräsident Nikol Paschinjan ein Angebot an, das die bisherige Linie Jerewans völlig auf den Kopf stellt: Armenien sei bereit, die Zugehörigkeit Berg-Karabachs (von den Armeniern „Arzach“ genannt) zu Aserbaidschan anzuerkennen, wenn der Nachbar umgekehrt die Souveränität und Unversehrtheit Armeniens in seinen völkerrechtlichen Grenzen anerkennt und den Schutz der ethnischen Armenier in Berg-Karabach garantiert.
Das Angebot zeigt, wie verzweifelt die politische Klasse Armeniens sein muss: Bisher stand Jerewan nibelungentreu zu „Arzach“, weil diese völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörende Region eine alte armenische Kulturlandschaft mit armenischer Bevölkerung ist. Doch Armenien verlor 2020 den Krieg gegen den Nachbarn und muss heute ohnmächtig zusehen, wie Aserbaidschan armenisches Kulturgut in Karabach vernichtet und die Bevölkerung regelrecht aushungert. Zudem sieht sich Armenien vom feindlichen Nachbarn in seiner eigenen Existenz bedrängt, weil Aserbaidschan einen souveränen Korridor mitten durch Armenien in die Exklave Nachitschewan anstrebt.
Von Moskau tief enttäuscht
Diesen Widrigkeiten könnten die tapferen Armenier vielleicht trotzen, wenn ihre offizielle Schutzmacht Russland tatsächlich an ihrer Seite stünde. Doch Moskau ließ Armenien fallen wie eine heiße Kartoffel. Der Kreml verkauft seit Jahren munter Waffen an beide Konfliktparteien, treibt mit Aserbaidschan eifrig Handel und lässt die christlichen Armenier in Berg-Karabach eiskalt über die Klinge springen. Ministerpräsident Paschinjan ist von Moskau tief enttäuscht und erwägt, das von Russland geführte Militärbündnis „Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit“ (OVKS) zu verlassen. Verständlich, denn eine Schutzmacht, die nicht schützt, braucht niemand.
Wladimir Putin mag in Kremlkirchen Kerzen entzünden und sich von seinem Hofkaplan, Patriarch Kyrill, zum heiligen Helden stilisieren lassen, doch seine Nachbarschaftspolitik schadet traditionsreichen christlichen Völkern: 2008 überfiel Putin das orthodoxe Nachbarland Georgien, das er seither destabilisiert; in der mehrheitlich orthodoxen Ukraine wütet seine Soldateska mit Hilfe iranischer Drohnen und tschetschenischer Islamisten; und das christliche Armenien opfert der Kremltyrann nun seinen Geschäften mit dem postsowjetischen Diktator von Aserbaidschan, Ilham Alijew.
Mehr Informationen und einen ausführlichen Hintergrund zur Lage der christlichen Armenier in Berg-Karabach finden Sie am Donnerstag in Ihrer „Tagespost“.