Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Javier Milei

Überraschender Sieger bei der Präsidentschafts-Vorwahl in Argentinien

Bei den Vorwahlen, die über die Präsidentschaftskandidaten im Oktober entscheiden, errang Javier Milei mehr als 30 Prozent der Stimmen, und landete auf dem ersten Platz. Es war auch eine Niederlage für die Regierungspartei.
Vorwahlen in Argentinien
Foto: Natacha Pisarenko (AP) | Javier Milei, Präsidentschaftskandidat der Koalition der Freiheitlichen Fortschritte (Partei La Libertad Avanza), feiert nach Schließung der Wahllokale sein gutes Abschneiden bei den Vorwahlen.

Die Präsidentschafts-Vorwahl in Argentinien endete am Sonntagabend mit einer großen Überraschung: Der „Außenseiter“, der 52-jährige Wirtschaftswissenschaftler Javier Milei von der Partei „Libertad Avanza“ („Freiheit vorwärts“), ging mit 30,28 Prozent der Stimmen als der große Gewinner aus diesen Wahlen hervor. Bei den sogenannten PASO (den „Gleichzeitig stattfindenden und obligatorischen offenen Vorwahlen“) gingen fast 70 Prozent der Argentinier zu den Urnen, um die künftigen Präsidentschaftskandidaten zu wählen, die am 22. Oktober für den Einzug ins argentinische Präsidentenpalais, das sogenannte „Casa Rosada“, kandidieren werden. Milei gewann in 16 von den 24 Wahlbezirken. 
 
Der Kandidat mit den zweitmeisten Stimmen bei den PASO war Sergio Massa, der Wirtschaftsminister und offizieller Kandidat der Regierungspartei „Unión por la Patria“ (UP), mit 21,4 Prozent der Stimmen. An dritter Stelle landete die ehemalige Sicherheitsministerin Patricia Bullrich von Juntos por el Cambio („Gemeinsam für den Wandel“) mit 16,98 Prozent.

Umgestaltung Argentiniens in drei Etappen

Javier Milei wirbt für eine Umgestaltung Argentiniens in drei Etappen innerhalb von 35 Jahren. Sollte er Präsident Argentiniens werden, würde in einem ersten Schritt an einer deutlichen Senkung der öffentlichen Ausgaben und einer Reform zur Senkung der Steuern gearbeitet werden. Milei tritt für die Leistungsgesellschaft, einen „freien Markt und freien Wettbewerb“ ein. In einem auf Twitter verbreiteten Video sagt er: „Im Land des Öls (Venezuela) gibt es kein Öl. Im Land des Zuckers (Kuba) gibt es keinen Zucker. Im Land des Fleisches (Argentinien) gibt es kein Fleisch. Das ist der Sozialismus!“ Etwas weniger plakativ: Die „populistischen und totalitären Regierungen“ hätten einen „paternalistischen Staat“ hervorgebracht, der das „Nachlassen der Anstrengungen“ fördere und private Unternehmen und Einzelpersonen entmutigte, „die schließlich in Konkurs gingen oder das Land verließen.“

Lesen Sie auch:

In diesem Zusammenhang äußerte sich Milei provokativ am Vorabend der PASO ebenfalls auf Twitter: „Es ist unmöglich, mit denjenigen, die seit 30, 40 Jahren an der Macht sind, ein anderes Argentinien aufzubauen. Sie sind Teil des Problems, nicht der Lösung. Sie haben an den Veränderungen kein Interesse, denn sie profitieren von diesem unsauberen System. Gehen Sie wählen, denn nur mit den Stimmen aller ist es möglich, sie aus dem System herauszuwerfen. Es lebe die Freiheit!“

Der Präsidentschaftskandidat, der je nach Standpunkt des Mediums als „rechtsextrem“, „anarcho-libertär“, „ultra-liberal“ oder einfach als „liberal“ bezeichnet wird, und der häufig mit Donald Trump und Jair Bolsonaro verglichen wird, hat keinen Hehl daraus gemacht, dass er auch für „traditionelle“ Werte eintritt, etwa für die Verteidigung des Rechts auf Leben von der Empfängnis an, für eine Erziehung, in der die Eltern die Schule für ihre Kinder frei wählen können, und in der keine LGBT-Ideologie unter dem Deckmantel der „umfassenden Sexualerziehung“ verbreitet wird.

Gegen die gleichgeschlechtliche „Ehe“

Milei ist ebenfalls gegen die gleichgeschlechtliche „Ehe“ – er tritt für das ein, was seine Kritiker „traditionelle Lebensstile“ nennen. Allerdings macht er auch eher „exotische“ Vorschläge, etwa die Legalisierung des Marktes für den Verkauf von Organen, eine Tätigkeit, die nach dem Gesetz des Landes verboten ist: „In Argentinien warten 7.500 leidende Menschen auf eine Transplantation, da stimmt etwas nicht. Ich schlage vor, nach Marktmechanismen zu suchen, um dieses Problem zu lösen“, sagte er in einem Fernsehinterview. Milei hat darüber hinaus erklärt, er sei dafür, dass die Argentinier Waffen freikaufen können, da die Unsicherheit in einigen Teilen des Landes zunehme.

Nach der Vorwahl versuchten verschiedene Medien, Mileis Sieg zu erklären. Für „Infobae“, das gesamtamerikanische, aber in Argentinien entstandene Onlineportal, „gelang es dem libertären Wirtschaftswissenschaftler, aus der weit verbreiteten Unzufriedenheit mit der wirtschaftlichen und sozialen Lage des Landes Kapital zu schlagen.“ Die „Financial Times“ brachte Mileis gutes Abschneiden auf ihre Titelseite: „Argentiniens radikale Rechte erschüttert das Präsidentschaftsrennen mit einem Vorwahlsieg“. Auch sie spricht von der „Frustration der Wähler über die chronische schlechte Wirtschaftslage“, die Milei ausgenutzt habe. Das „Wall Street Journal“ hob in seinen internationalen Nachrichten hervor, dass die Argentinier bei den Präsidentschaftsvorwahlen einen „rechtsextremen Außenseiter“ unterstützten.

Noch ist nichts entschieden

Dass Javier Milei an erster Stelle aus den Vorwahlen hervorgegangen ist, bedeutet allerdings nicht, dass er als sicherer Kandidat in die Präsidentschaftswahlen geht, die am 22. Oktober stattfindet. Nach den Ergebnissen der Vorwahlen bleiben drei Hauptkandidaten im Rennen: Javier Milei, Patricia Bullrich und Sergio Massa von der Regierungspartei. Patricia Bullrich wird wohl gegen Milei um die Stimmen der Rechten und der rechten Mitte konkurrieren. Laut dem Wahlgesetz muss einer der Kandidaten im ersten Wahlgang „mehr als 45 Prozent der gültig abgegebenen Stimmen oder mehr als 40 Prozent mit einem Abstand von mehr als 10 Prozent“ zu dem Kandidaten, der ihm an Stimmen folgt, um gewählt zu sein. Sollte keiner der Kandidaten dies erreichen, folgt eine Stichwahl voraussichtlich am 19. November zwischen den beiden Kandidaten, die beim ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Der eigentliche Wahlkampf um den Einzug ins „Casa Rosada“, beginnt jetzt.

 

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
José García Donald Trump Jair Bolsonaro

Weitere Artikel

In den Umfragen zur Präsidentschaftswahl führt der als „ultra-liberal" geltende Javier Milei. Dennoch zeichnet sich eine Stichwahl ab.
20.10.2023, 15 Uhr
José García
In der zweiten Jahreshälfte steht die Präsidentschaftswahl an. Oppositionspolitikerin María Corina Machado werden große Chancen eingeräumt.
03.01.2024, 13 Uhr
José García

Kirche

Yannick Schmitz, Referent beim Berliner Vorortspräsidium des Cartellverbandes, sieht gute Gründe dafür, dass der Verband künftig wahrnehmbarer auftritt.
27.04.2024, 13 Uhr
Regina Einig
Jesus macht sich eins mit dem Volk der Sünder - auch im Gebet, meint Papst Franziskus in einer Katechese über das Beten.
28.04.2024, 17 Uhr
Papst Franziskus