Wenn sogar die „New York Times“ in alarmistischem Tonfall vor einem Politiker der Demokraten warnt, soll das schon etwas heißen: Zohran Mamdani, der jüngst die Vorwahl seiner Partei für das Bürgermeisteramt der Stadt New York gewann, wurde von dem linksliberalen Blatt als „außergewöhnlich ungeeignet“ abgestempelt, die Herausforderungen des Postens zu bewältigen.
Und in der Tat: Der erst 33 Jahre alte Linkspopulist Mamdani, ein in Uganda geborener, eingebürgerter Einwanderer mit indischen Wurzeln, treibt die Extreme auf die Spitze, die sich innerhalb der Demokraten schon seit längerer Zeit breitmachen. Ein Auszug aus dem Wahlprogramm des selbsterklärten „demokratischen Sozialisten“: Mieten einfrieren, Busfahren kostenlos machen, Supermärkte verstaatlichen – und all das mit höheren Steuern für Reiche finanzieren.
Jetzt auf den Linksruck zu setzen, wäre die falsche Entscheidung
Mamdani verwies ein bekanntes Gesicht der Partei, den ehemaligen Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, auf den zweiten Platz und hat nun beste Chancen, der erste muslimische Bürgermeister des „Big Apple“ zu werden. Mit seinem charismatischen Auftreten, Kampfgeist und einer ausgefeilten Social-Media-Kampagne ließ er den 67-jährigen Cuomo im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. In einer Zeit, in der die waidwund geschossenen Demokraten händeringend nach einem funktionierenden Rezept gegen Donald Trump suchen, hat Mamdanis Erfolg natürlich Signalwirkung: Er bestärkt diejenigen in der Partei, die der Ansicht sind, nur mit einem entschiedenen Linksruck könne man den als autoritär, teils sogar als faschistisch wahrgenommenen Trump bezwingen.
Das wäre jedoch die falsche Schlussfolgerung. Vielmehr offenbart die Popularität Mamdanis das Kernproblem der Demokraten: Entweder man zieht mit alten Eisen des Partei-Establishments wie Biden oder Cuomo in die Schlacht, die aber massive Schwächen aufweisen – im Falle Bidens die zunehmenden Verfallserscheinungen, im Falle Cuomos die Vorwürfe sexueller Übergriffe, die ihn auch das Gouverneursamt kosteten. Oder man setzt auf extrem linke Politiker wie Mamdani, Alexandria Ocasio-Cortez oder Bernie Sanders, die zwar in demokratischen Hochburgen wie New York bestehen können, jedoch kaum eine Wahl in umkämpften Staaten, geschweige denn auf nationaler Ebene gewinnen würden.
Was in der Parteiführung noch immer nicht wirklich angekommen zu sein scheint: Es bedarf einer schonungslosen Aufarbeitung der Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte, in denen man sukzessive die einstige Kernwählerschaft aus der Arbeiterklasse, aber auch das Vertrauen der Mittelschicht, verloren hat. Diese ehemalige Basis wird man mit einem utopischen „demokratischen Sozialismus“ nicht zurückgewinnen.
Die Eliten gegen den Willen des Volkes?
Rund um Mamdanis Erfolg zeichnet sich aber eine weitere besorgniserregende Entwicklung ab. Schon jetzt fürchten führende Vertreter der Wirtschafts- und Finanzelite aus beiden Parteien um den Ruf und Status New Yorks als Finanzhauptstadt der Welt. Und im Hintergrund beginnen Ränkespiele, um Mamdani irgendwie zu verhindern. Ein Szenario: Der republikanische Gegenkandidat Curtis Sliwa könnte sich zurückziehen, um eine geeinte Opposition hinter Eric Adams zu versammeln. Der langjährige Demokrat ist amtierender Bürgermeister der Ostküstenmetropole, seine Partei hat ihn aber wegen Betrugs- und Korruptionsvorwürfen mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt. Nun will er als unabhängiger Kandidat antreten.
Doch so radikal Mamdani auftritt: Wäre das wirklich die richtige Antwort auf seine Popularität bei den Wählern? Oder würde man nicht wieder einmal Stoff zur Unterfütterung der populistischen These liefern, die Eliten würden sich gegen den Willen des Volkes stellen, um ihre eigenen Interessen zu sichern? Das jetzt schon geringe Vertrauen in das politische System, das Zohran Mamdanis Aufstieg erst ermöglichte, es würde wohl noch weiter erodieren.
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