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Tucker Carlson: Er spielt Pinocchio und spricht mit Putin

Tucker Carlson darf Russlands Präsident Wladimir Putin interviewen – und beweist gleich, weshalb: Er ist selbst ein Meister der Desinformation.
Tucker Carlson interviewt Putin
Foto: IMAGO/Brian Cahn (www.imago-images.de) | Carlson behauptet, dass „kein einziger westlicher Journalist“ sich um ein Interview mit Putin bemüht habe – und er nun dieser Pflicht nachkomme. Das ist falsch.

Die Tatsache, dass ein Journalist ein Staatsoberhaupt interviewt, ist in der Regel keine Nachricht wert. Wenn aber Tucker Carlson, der berühmt-berüchtigte US-Moderator, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zum Gespräch treffen möchte, sorgt dies durchaus für Schlagzeilen. Zumal, wenn man, wie Carlson, in einem vorab veröffentlichten Video ausführlich zu begründen versucht, warum man zum Tête-à-Tête mit Putin nach Moskau reist.

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Vorneweg: Es hat nichts Verwerfliches, dass Carlson Putin zum Interview trifft. Und bevor das Gespräch veröffentlicht ist, soll der 54-Jährige auch nicht mit vorauseilender Kritik belegt werden. Was jedoch für Widerspruch sorgen sollte, ist die Tatsache, dass Carlson im Vorfeld einige Tatsachenverdrehungen vornimmt, die zeigen, wes Geistes Kind er ist.

Putin sucht eine Bühne für sein verzerrtes Weltbild

So behauptet Carlson, dass „kein einziger westlicher Journalist“ sich um ein Interview mit Putin bemüht habe – und er nun dieser Pflicht nachkomme. Das ist falsch. Putin ist es, der nur solche Journalisten in seinen Orbit lässt, von denen er keine unangenehmen Fragen fürchten muss – Journalisten, die ihm eine Bühne bieten, um sein verzerrtes Weltbild und seine Propaganda zu verbreiten. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow machte daraus nicht einmal einen Hehl: Man erhalte „viele Anfragen für ein Interview mit dem Präsidenten“ von westlichen TV-Sendern und Zeitungen, betonte er. Diese seien jedoch „Massenmedien, die allesamt eine ausschließlich einseitige Position vertreten“.

Dann behauptet Carlson, englischsprachige Medien seien „korrupt“, unterbreiteten ihren Lesern und Zuschauern Lügen und hielten Fakten zurück. Insbesondere zum Kriegsgeschehen. An dieser Stelle möchte man Carlson daran erinnern, dass es Autokraten vom Schlage Putins sind, die den medialen Informationsfluss an ihre Staatsbürger zensieren sowie die Meinungs- und Pressefreiheit einschränken – nicht die USA oder andere westliche Demokratien. So kann man hierzulande auch zum ukrainischen Präsidenten Selenskyi unterschiedliche Standpunkte vertreten, kann noch immer grassierende Korruption in der Ukraine kritisieren, ja sogar Waffenlieferungen und Hilfsgelder an das überfallene Land in Frage stellen. Ob im Privaten, in offenen Briefen oder als Vertreter einer politischen Partei: Anders als in Russland muss niemand deshalb fürchten, unterdrückt oder gar gewaltsam zum Schweigen gebracht zu werden.

Tucker Carlson hat völlig recht: Die Aufgabe von Qualitätsjournalismus ist es, zu informieren. Dass Berichterstattung in unseren Medien manchmal auch tendenziöse, aktivistische Tendenzen aufweist, lässt sich nicht bestreiten. Dieses Phänomen gibt es von links wie von rechts. 

Carlsons Agieren ist heuchlerisch

Dass jedoch gerade Carlson sich anschwingt, hier mit dem Finger auf andere zu zeigen und belehren zu wollen, ist geradezu heuchlerisch. Schließlich war er es selbst, der über Jahre in seinen Sendungen beim US-Kanal „Fox News“ Fakten verzerrte, Desinformation betrieb und glatte Lügen verbreitete. Nicht zuletzt rund um die US-Wahl 2020. 

Daher erhält er nun auch die Audienz beim russischen Machthaber Putin. Der wiederum kann sich zurücklehnen und ins Fäustchen lachen. Es braucht gar keine Trolle, Cyber-Agenten oder fünfte Kolonne. Solange die nützlichen Helfer freiwillig nach Moskau kommen.  

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