Eine Aufarbeitung der deutsch-russischen Beziehungen der vergangenen Jahre hat der Hauptgeschäftsführer des katholischen Osteuropa-Hilfswerks, Pfarrer Thomas Schwartz, zum Abschluss des 27. Internationalen Renovabis-Kongresses am Donnerstag in München gefordert. Bei diesem Kongress sei klar geworden, dass zu einer Reflexion der vergangenen drei Jahrzehnte gehöre, „auch selbstkritisch auf Deutschland und seine Rolle zu schauen“.
Schwartz wörtlich: „Haben wir in Deutschland nicht unseren EU-Partnern im Osten Europas zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und dagegen zu sehr auf den eigenen Vorteil geschaut?“ Dazu brauche es in Deutschland „eine ehrliche und schonungslose Reflexion“.
Schwartz fordert Einrichtung einer Enquête-Kommission
Der Renovabis-Chef fordert vom Deutschen Bundestag die Einrichtung einer Enquête-Kommission zur Aufarbeitung der Beziehungen Deutschlands mit Russland in den vergangenen Jahrzehnten. Diese Kommission müsse die Zeit seit dem Amtsantritt Putins in den Blick nehmen: „Denn mit Putin startete eine Phase der militärischen Aggression: beginnend mit dem zweiten Tschetschenien-Krieg 1999, dem 2008 der Georgienkrieg und 2014 die Annexion der Krim und der Krieg im Osten der Ukraine folgten, bevor es am 24. Februar 2022 zum russischen Angriff auf die gesamte Ukraine kam“.
Die militärische Intervention Russlands in Syrien 2015 und die militärischen Aktionen Russlands in Afrika seien „mit schwersten Kriegsverbrechen“ verbunden gewesen. „Es wurde schnell deutlich, dass Russland unter Putin seine Einflusssphären mit militärischer Gewalt festigen und erweitern möchte. Zudem beobachteten wir, wie Putin sich immer mehr gegen den Westen stellte, das internationale Recht und die Werte der internationalen Gemeinschaft missachtet“, so Thomas Schwartz.
Warnende Stimmen nicht gehört
Trotz all dieser militärischen Gewalt, die von Russland ausging, hätten die deutsche Politik, die deutsche Wirtschaft und andere Akteure gute Beziehungen zum System Putin gepflegt und es damit gefestigt. Schwartz weiter: „Ich möchte nur erinnern, dass Nordstream 2 erst 2013 geplant wurde und die Bauarbeiten erst 2018 begannen.“ Die warnenden Stimmen von verantwortlichen Politikern sowie Experten der direkten Nachbarn Russlands im Osten Europas seien nicht gehört worden.
Der Hauptgeschäftsführer von Renovabis zeigte sich überzeugt, „dass es für unsere zukünftigen Beziehungen zu Russland, aber auch zu den anderen östlichen Staaten von Bedeutung ist, dass wir dies alles gesamtgesellschaftlich aufarbeiten“. Dazu brauche es eine Enquête-Kommission im Deutschen Bundestag. DT/sba
Lesen Sie einen ausführlichen Bericht vom Renovabis-Jubiläumskongress in der kommenden Ausgabe der "Tagespost".