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Polen will die EU nicht verlassen

Ministerpräsident Morawiecki dementiert „Polexit“-Pläne – Kommissionspräsidentin Von der Leyen droht Warschau mit finanziellen und rechtlichen Schritten.
Polnischer Ministerpräsident Morawiecki im Europarlament
Foto: Ronald Wittek (Pool EPA/AP) | Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki hält eine Rede im Europäischen Parlament, während die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen zuhört.

Zu einem heftigen Schlagabtausch über die Rechtsstaatlichkeit in Polen kam es am Dienstag im Europäischen Parlament in Straßburg. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekräftigte die Sorgen ihrer Behörde hinsichtlich der Unabhängigkeit der Justiz in Polen. Empört zeigte sie sich über ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts, das die Überordnung des EU-Rechts über nationales Verfassungsrecht nicht mehr uneingeschränkt akzeptiert. „Dieses Urteil stellt die Basis der Europäischen Union in Frage“, sagte die Kommissionspräsidentin in Straßburg. Erstmals habe ein nationales Höchstgericht behauptet, dass die EU-Verträge mit dem nationalen Recht unvereinbar sein könnten. Dies sei „ein einmaliger Vorgang“. Von der Leyen drohte der polnischen Regierung nicht nur mit juristischen, sondern auch mit finanziellen Konsequenzen.

„Ungerecht und parteiisch angegriffen“

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki widersprach in seiner Rede vor dem Europäischen Parlament allen Mutmaßungen, seine Regierung strebe einen Austritt aus der EU an. „Für uns ist die europäische Integration eine zivilisatorische und strategische Entscheidung.“ Polen sei nicht mit leeren Händen in die EU gekommen und wolle diese jetzt auch nicht verlassen. 88 Prozent der Polen seien für die EU-Mitgliedschaft und gegen einen Austritt; die Hälfte davon würden seine Partei wählen, so der Premierminister. Wenn die EU zwischen starken und schwachen, oder alten und neuen Mitgliedstaaten unterscheide, führe das zu einem Verlust des Vertrauens in die Institutionen. Polen werde ungerecht und parteiisch angegriffen. Gegenüber einigen Mitgliedstaaten würde die Methode der Erpressung angewandt.

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Ausdrücklich bekannte sich Morawiecki zur Rechtsstaatlichkeit sowie dazu, dass das EU-Recht Vorrang vor staatlichem Recht habe in all jenen Bereichen, in denen die EU Zuständigkeit genießt. Allerdings gehe die EU immer wieder darüber hinaus und greife in die Zuständigkeitsbereiche der Mitgliedstaaten ein. Mit Blick auf die Zusammensetzung der Richterkollegien und die Bestellung der Verfassungsrichter in Polen sagte er, die EU werde nicht daran zerbrechen, dass es

Unterschiede in der Verfassungsordnung ihrer Mitgliedstaaten gibt.

Der Vorsitzende der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), warf der polnischen Regierung vor, Spaltung und Streit in der Europäischen Union zu säen und sie dadurch zu schwächen. Wer die EU als Rechtsgemeinschaft ablehne, komme einem EU-Austritt sehr nahe, warnte der CSU-Politiker. Zum polnischen Urteil meinte er, die gemeinsame „Hausordnung“ der Europäischen Union sei wichtiger als die Verfassungen der Mitgliedstaaten. Mehrere Sprecher der Liberalen, der Linken und der Sozialdemokraten nannten die „LGBTI-freien Zonen“ in polnischen Regionen und Kommunen sowie die Verschärfung des Abtreibungsrechts als Beispiele für die Gefährdung des Rechtsstaates in Polen. Sie bezeichneten das Vorgehen gegen Warschau als „Verteidigung der Menschenrechte“.  DT/sba

Lesen Sie einen ausführlichen Kommentar zum Streit zwischen der polnischen Regierung und der EU-Kommission in der kommenden Ausgabe der Tagespost.

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