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Nordirlands Erste Ministerin Michelle O'Neill: Jünger, weiblich, katholisch

Michelle O'Neill ist die erste katholische Regierungschefin Nordirlands. Rückt nun die Wiedervereinigung der Insel näher?
Nordirlands Erste Ministerin Michelle O'Neill
Foto: IMAGO/Thomas Krych (www.imago-images.de) | Jünger, weiblich und dynamisch, und eher an sozialen Themen orientiert, bietet O'Neill besonders jungen Wählern ein neues Bild von Sinn Féin.

Ein politisches Erdbeben, ein Wandel der politischen Ordnung: So und ähnlich texteten Medien, als Michelle O'Neill am Samstag als erste Katholikin und Nicht-Unionistin die Regierungsführung in Nordirland übernahm.

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Das ist bemerkenswert, da seit der Gründung Nordirlands im Jahr 1921 die sogenannten Ersten Minister stets der protestantischen und unionistischen Partei DUP angehört hatten. Aber O'Neill ist Mitglied von Sinn Féin, jene Partei, die einst als politischer Arm der terroristischen IRA galt und heute die Wiedervereinigung Nordirlands mit der Republik Irland anstrebt. 

O'Neill, die im irischen County Cork geboren wurde, stammt aus einer republikanischen Familie: Ihr Vater saß als IRA-Mitglied im Gefängnis, engagierte sich später bei Sinn Féin. O'Neills Cousin, ebenfalls Mitglied der IRA, kam Anfang der Neunziger bei einem Angriff der britischen Luftwaffe ums Leben.

Für eine „gemeinsame Zukunft“, unabhängig von Herkunft oder Konfession

Mit der Wahl von O'Neill zur Ersten Ministerin rückt die Wiedervereinigung Nordirlands mit der Republik zum ersten Mal in scheinbar greifbare Nähe. Doch dabei wartet noch eine Menge Arbeit auf O'Neill: Denn auch wenn die Zustimmung zu einer Wiedervereinigung in Irland und auch unter der irischen Regierung wächst, stimmten noch im November 2023 50 Prozent der Bevölkerung dagegen, und nur 30 Prozent dafür.

Dabei kommt O'Neill ihre außergewöhnliche Entschlossenheit zugute. Diese zeigte sie schon vor 30 Jahren, als die damals 16-Jährige Mutter wurde. „Ich war entschlossen, dass ich nicht abgeschrieben werden und meiner Tochter ein gutes Leben geben würde“, so O'Neill, die jetzt mit 47 Jahren schon Großmutter ist, gegenüber der „IrishTimes“.  

Jünger, weiblich und dynamisch, und eher an sozialen Themen orientiert, bietet O'Neill besonders jungen Wählern ein neues Bild von Sinn Féin. Der Erfolg der Partei in Nordirland dürfte aber auch den Folgen des Brexit und demographischen Veränderungen zu verdanken sein. 

O'Neill sprach sich bei ihrer Amtsübernahme für eine Politik einer „gemeinsamen Zukunft“ aus, unabhängig von Herkunft oder Konfession.
Nordirland bildet seit 1998 eine Einheitsregierung, die die beiden politischen – und konfessionellen – Lager protestantischer Unionisten und katholischer Nationalisten zur gemeinsamen Regierung verpflichtet. O'Neill tritt ihr Amt deshalb gemeinsam mit der stellvertretenden Ersten Ministerin Emma Little-Pengelly an. Anders als frühere Parteiführer von Sinn Féin hat O'Neill bereits des Öfteren die katholische Kirche kritisiert. Pro-Life-Aktivisten verurteilten 2020, dass die Partei britische Abtreibungsgesetze unterstützte.

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