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Minderheitsregierung in Polen: Legal, aber überflüssig

Die PiS und Polens Staatsoberhaupt Duda zögern einen demokratisch legitimierten Machtwechsel hinaus. Ein Kommentar.
Polens Präsident Andrzej Duda mit Ministerpräsident Mateusz Morawiecki
Foto: IMAGO/DAMIAN BURZYKOWSKI (www.imago-images.de) | Polens Präsident Andrzej Duda hat die bisherige Regierungpartei PiS mit der Bildung eines Regierungskabinetts beauftragt und auch bereits vereidigt, obwohl sie keine parlamentarische Mehrheit erzielen konnte.

Der österreichisch-britische Philosoph Karl Popper (1902-1994) pflegte mit Blick auf die verschiedenen Regierungsformen zu sagen: „Es gibt eigentlich nur zwei Staatsformen: Solche, in denen es möglich ist, die Regierung ohne Blutvergießen durch eine Abstimmung loszuwerden, und solche, in denen das nicht möglich ist.“ Dass Sir Karl hinsichtlich erstgenannter Staatsform die Demokratie, in puncto zweitgenannter Staatsform die Tyrannis meinte, dürfte sich von selbst verstehen.

Eine „2-Wochen-Regierung“, die man sich hätte sparen können

Nun hat Polens Präsident Andrzej Duda, obwohl die bisherige Regierungpartei PiS bei den vergangenen Parlamentswahlen zwar stärkste Kraft wurde, jedoch keine parlamentarische Mehrheit erzielen konnte, eben genau diese mit der Bildung eines Regierungskabinetts beauftragt und auch bereits vereidigt. Und neben dem bisherigen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak finden sich in der Regierung keine prominenten PiS-Politiker, sondern viele bislang unbekannte Gesichter – die sicherlich auch unbekannt bleiben werden.

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Denn – und hier können Sir Karl und andere Anhänger geordneter Machtwechsel beruhigt werden: Die PiS-Minderheitsregierungsbildung dürfte in weniger als 14 Tagen Makulatur sein und als reine politische Show ad acta gelegt werden. Der Grund: Morawiecki muss innerhalb von 14 Tagen die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Dort hat er jedoch keine Mehrheit und wird erwartungsgemäß scheitern. Erst danach kann die nunmehr ehemalige Opposition um Donald Tusk ihre Regierung bilden. Polnische Medien spotten deshalb über die „Zwei-Wochen-Regierung" und „Morawieckis Krippenspiel" anstatt sich Sorgen um die politische Stabilität des eigenen Landes zu machen.

Auch die PiS sollte sich demokratischen Gepflogenheiten öffnen

Klar ist: Es ist grundsätzlich üblich, nach einer Parlamentswahl die stärkste Fraktion mit dem Regierungsauftrag zu betrauen, aber nur, wenn auch eine berechtigte Aussicht auf die Bildung einer tragfähigen Regierung steht. Doch im Falle der nun erfolgten Regierungsbildung kann der Eindruck nicht verwehrt bleiben, dass sowohl die PiS als auch der aus ihren eigenen Reihen stammende Staatspräsident es noch nicht ganz verwinden können, ohne Mehrheit und somit als Wahlverlierer aus der jüngsten Parlamentswahl hervorgegangen zu sein. 

Wahlniederlagen einzuräumen sowie der bisherigen Opposition eine gute Hand bei der anstehenden Regierungsübernahme zu wünschen, gehören jedoch zu demokratischen Gepflogenheiten – und wären somit höher als das Machtgeplänkel, welches die PiS und ihr parteihöriger Staatspräsident gerade in Warschau veranstalten. Die Art und Weise, wie sich die PiS nun von der in einer Demokratie eh nur auf Zeit vergebenen Macht verabschiedet, dürfte zahlreichen Menschen in Polen zu denken geben.

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