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Kriegsgefahr im Kaukasus

Aserbaidschan greift die Karabach-Armenier jetzt auch militärisch an. Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen befürchten eine „humanitäre Katastrophe“.
Armenien, LKW mit Hilfslieferungen für Bergkarabach
Foto: IMAGO/Alexander Patrin (www.imago-images.de) | Als die Eskalation noch nicht so weit fortgeschritten war: LKW mit Hilfslieferungen für Bergkarabach am Latschin-Korridor Ende August.

In Kaukasus droht der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien neuerlich aufzuflammen. Das diktatorisch regierte Aserbaidschan startete am Dienstagvormittag nach eigener Aussage eine „Antiterroroperation lokalen Charakters zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung“. Tatsächlich handelt es sich um eine Militäroperation gegen die Region Berg-Karabach (Arzach), die rechtlich zu Aserbaidschan gehört, aber fast ausschließlich von Armeniern bewohnt wird und sich seit drei Jahrzehnten als unabhängiger Staat versteht.

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Baku versuchte seit 2020, die Region unter seine Kontrolle zu bringen, zuletzt durch eine Blockade, die Berg-Karabach von der Medikamenten- und Lebensmittelversorgung abschnitt, und nun auch mit militärischer Gewalt. Nach Angaben vor Ort sollen mehrere Zivilisten getötet und verletzt worden sein. Deutschlands Außenministerin Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte Baku auf, den Beschuss der Region einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Ähnlich äußerte sich EU-Außenbeauftragter Josep Borrell.

Drohen ethnische Säuberungen?

Die „Internationale Gesellschaft für Menschenrechte“ (IGFM) verurteilte den aserbaidschanischen Angriffskrieg und warnte vor gewaltsamen ethnischen Säuberungen. Deutschland und die gesamte EU sollten alle wirtschaftlichen Beziehungen zu Baku sofort stoppen und Sanktionen gegen das Alijew-Regime verhängen. Mit Blick auf die Erdöl-Geschäfte zwischen der EU und dem Land am Kaspischen Meer erklärte IGFM-Generalsekretär Matthias Boehning: „Die Europäische Union kann nicht länger über das aggressive Vorgehen Aserbaidschans schweigen und muss unverzüglich Flagge zeigen, ob ihr Energieinteressen wichtiger sind als das Völkerrecht und die Achtung der Menschenrechte.“

Die sogenannten „Friedenstruppen“ Russlands, die nach dem Krieg 2020 in der Region stationiert wurden, haben nach Angaben der IGFM ihre Posten verlassen. Unter Berufung auf regionale Quellen schreibt die Menschenrechtsorganisation, die russische Seite habe „Aserbaidschan die Koordinaten aller militärischen Positionen und Standorte in Berg-Karabach“ übermittelt und sich selbst entfernt.

Die EU solle sich „aktiv für eine politische Lösung einsetzen und alles in ihrer Macht Stehende tun, um eine Deeskalation des Konflikts herbeizuführen“, fordert der Hauptgeschäftsführer des katholischen Osteuropa-Hilfswerks „Renovabis“, Thomas Schwartz. Aserbaidschan müsse alles unterlassen, „was zu erneuter Gewalt und sinnlosem Leiden vieler Menschen führen könnte“, so Schwartz. Besonders tragisch sei, dass diese Eskalation durch Baku zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem das Rote Kreuz berichtete, dass Hilfslieferungen wieder möglich seien. In Berg-Karabach drohe eine humanitäre Katastrophe. Schwartz weiter: „Eine weitere militärische Eskalation wird das Leiden nur verschlimmern.“  DT/sba

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