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In Frankreich soll wieder mehr Latein und Griechisch unterrichtet werden

Zurück zur humanistischen Bildung. Entgegen aktuellen Trends an Universitäten kündigte der französische Bildungsminister an, Latein und Altgriechisch an den Oberschulen neu zu beleben. Alte Sprachen lehren Denken.
Lateinunterricht an einer deutschen Schule
Foto: Ingo Wagner (dpa) | In Frankreich sollen die alten Sprachen künftig wieder mehr unterrichtet werden. Im Bild: Lateinunterricht an einer deutschen Schule.

Zur allgemeinen Überraschung hat der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer im November angekündigt, dass er an den Oberschulen seines Landes das Erlernen der sogenannten alten Sprachen reaktivieren wolle. Dies teilte die französischsprachige kanadische Tageszeitung Le Devoir mit. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da das neuerfundene geschlechtsneutrale Pronomen „iel“ (eine Zusammenfassung von „il“ und „elle“) in das Sprachwörterbuch „Le Robert“ Einzug halte und die Anhänger der sogenannten „inklusiven“ Sprache „die Grammatik und Orthographie auf den Kopf stellen wollen, möchte Frankreich hingegen vielen Schülern ermöglichen, die Ursprünge der französischen Sprache wieder zu entdecken“, schreibt das Blatt.

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„Im Gegensatz zur Universität Princeton, die im vergangenen Juni entschied, dass die Studenten der Altphilologie nicht mehr verpflichtet würden, Griechisch und Latein zu lernen, räumte Jean-Michel Blanquer ein, jenen entgegentreten zu wollen, die die Antike auf Sklaverei und Rassismus reduzieren. Die Hellenistin Jacqueline de Romily sah in ihr den Schauplatz, ‚an dem die Geschichte, die Demokratie, der Sinn für Tragik und Schönheit, die Philosophie und die Gerechtigkeit erfunden wurde‘“, heißt es in „Le Devoir“ weiter.

Nachdem Blanquer gemeinsam mit seinem Amtskollegen aus Québec eine Erklärung gegen die Cancel Culture unterzeichnet hatte, unterschrieb er kürzlich mit den Bildungsministern von Griechenland, Italien und Zypern eine Stellungnahme, mit der „eine Antike, die die Gegenwart erleuchtet und nährt, gefördert“ werden soll. Im Gegensatz zur kanadischen Provinz Québec, wo Latein in den Privatschulen fast völlig verschwunden sei, wird die Sprache an den meisten französischen Sekundarschulen optional angeboten: „Während Altgriechisch nur 2 Prozent der Schüler anzieht, schätzt man, dass 18 Prozent mindestens ein Jahr Latein gelernt haben“. Dieser Unterricht sei darüber hinaus auch eine Einführung in die griechisch-lateinische Kultur.

Leichter lernen

Der Lehrer für alte Sprachen an einem Gymnasium, Augustin d’Humières, wies denn auch auf die Vorteile dieser Sprachen für Schüler aus prekären Verhältnissen hin: „Das Erlernen von Latein oder Griechisch ist ein wundervoller Pluspunkt für diese Schüler, die oftmals Lücken in Französisch aufweisen. Es ermöglicht ihnen, ihren Rückstand in der Grammatik und der Rechtschreibung aufzuholen, wenn sie beispielsweise die Etymologie lernen, aber auch ihre Allgemeinbildung stärken“.

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Gegenüber der Ankündigung des Bildungsministers bleibt d‘Humières jedoch vorsichtig, und er fürchtet, dass es sich nur um einem „frommen Wunsch“ handeln könnte, denn die Zahl der Lehrer für alte Sprachen habe in den vergangenen Jahren ständig abgenommen. Im letzten Jahr gab es nur noch 8116 von ihnen in ganz Frankreich: „Ein Teil derer, die in den Ruhestand gingen, ist nicht ersetzt worden“, beklagt er. Und auch der Chefredakteur von „Café pédagogique“, einer der Bildung gewidmeten Webseite, vermute laut „Le Devoir“, dass der Minister im Kabinett Macron wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl „ein bestimmtes Publikum gewinnen“ wolle.

Keine toten Sprachen

Doch zum Glück entscheide sich die Zukunft der alten Sprachen nicht in den Ministerkabinetten, meint Augustin d’Humières: „Er ist zutiefst davon überzeugt, dass Latein und Griechisch keine toten Sprachen sind“, auch wenn man sich ständig um ihre Wiederbelebung bemühen müsse. Er mache sich die Worte von Jacqueline de Romily zu eigen, die einmal sagte: „Durch den Unterricht dieser beiden Sprachen geben wir den jungen Leuten die Mittel zum Denken und zum Fühlen an die Hand. Ein ganzes Vokabular des Geistes. Schaffen Sie diesen Unterricht ab, und Sie schneiden die Jugendlichen von der Vergangenheit ab“.  DT/ks

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