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Halbzeitbilanz: Ungenügend

So schlecht regiert die Ampel gar nicht, konstatiert eine neue Studie. Ein Blick auf das fertige Heizungsgesetz erregt Zweifel an dieser These.
Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung
Foto: Michael Kappeler (dpa) | „Eine insgesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz, die aber überschattet und geprägt ist von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen“, so das Fazit der Bertelsmann-Stiftung.

Dauerstreit um Kindergrundsicherung und Gebäudeenergiegesetz, monatelanges Verzögern der Haushaltsplanung, und nun der verzweifelte Kanzler-Appell an die politische Konkurrenz, einen „Deutschland-Pakt“ einzugehen: Ist für die Ampel alles schlecht gelaufen? Eigentlich ist es ganz anders, hat jetzt die Bertelsmannstiftung herausgefunden. Fast zwei Drittel aller Koalitionsvorhaben seien bereits jetzt, zur Legislatur-Halbzeit, umgesetzt oder angepackt – es läuft also alles bestens in der Berliner Regierungszentrale. „Eine insgesamt sehr vielversprechende Halbzeitbilanz, die aber überschattet und geprägt ist von öffentlich inszeniertem Koalitionsstreit und vielen offenen Baustellen“, wird Studienautor Robert Vehrkamp in der Pressemitteilung zitiert.

Leidet die Ampel also lediglich unter schlechter Kommunikation, wo doch die Arbeitsbilanz augenscheinlich so gut ist? Sind am Ende gar die Medien schuld, die sich ungerechterweise weniger auf die handfesten Erfolge als auf die Uneinigkeit zwischen FDP und Grünen fokussieren, sodass bei den Bürgern der falsche Eindruck entsteht, die Ampel leiste schlechte Arbeit? Nur 12 Prozent der Deutschen seien der zutreffenden Meinung, dass „alle, fast alle oder ein großer Teil“ der Koalitionsvorhaben umgesetzt würden, führt Bertelsmann eine aktuelle Allensbach-Umfrage an.

Ein aufgeweichtes Gesetz mit zahlreichen Ausnahmen

Ein Rückblick auf die letzte Woche schließlich verabschiedete Novelle des Gebäudeenergiegesetzes hilft, die Diskrepanz einzuordnen. Begonnen hatte das Gesetz als Entwurf aus der Hand des mittlerweile entlassenen Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Patrick Graichen. Der sah, ganz in der Tradition der grün-linken Neigung zu zentraler Planung und konkreten technologischen Vorgaben, eine quasi-Pflicht zur Wärmepumpe bei neuen Heizungen bereits ab 2024 vor.

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Aus Sicht einer marktwirtschaftlich orientierten Partei wie der FDP eigentlich ein grundfalsches Konzept: Besser als zentralistische Vorgaben werden in dieser Denktradition Marktlösungen wie die Verteuerung des zu vermeidenden Endprodukts – CO2 – angesehen, beispielsweise über den Emissionshandel. Am Ende einigte man sich auf ein aufgeweichtes Gesetz mit zahlreichen, teils auch sinnvollen, aber bürokratischen Ausnahmen. Pelletheizungen sind nun weiter erlaubt, Gasheizungen ebenfalls, sofern sie ab 2029 zu steigenden Anteilen mit klimaneutralem Gas befeuert werden können.

Politische Idealvorstellungen, die oft maximal weit auseinanderliegen

Es ist also nicht so, dass die Bundesregierung ihre Vorhaben nicht über die Bühne brächte. Was nicht zu überzeugen vermag, ist weniger der Umfang produzierten Gesetzestextes. Allein der nun beschlossene Gesetzesentwurf umfasst 168 Seiten. Vielmehr regiert eine Koalition, deren politische Idealvorstellungen in zentralen Bereichen maximal weit auseinanderliegen. Die Folge: Gesetzentwürfe, die aus keiner Perspektive zu überzeugen wissen. Viel Bürokratie, wenig Effekt – für das Gebäudeenergiegesetz rechnete etwa das Nachrichtenportal „nius.de“ aus, dass die CO2-Einsparung schon in der alten Fassung über die nächsten sechs Jahre nur dem entspreche, was China an einem Tag ausstoße. Und das zu einem Preis von jährlich etwa neun Milliarden Euro, wie das „Handelsblatt“ ausrechnete. 

Es ist den Bürgern kaum vorzuwerfen, dass sie angesichts der unbefriedigenden Leistung der Bundesregierung in wichtigen Vorhaben die schiere Anzahl der Projekte nicht würdigen. Christian Lindner, heute Finanzminister, brachte dies noch 2017 auf den Punkt: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ 

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