Am Mittwoch wird die Labour-Abgeordnete Kim Leadbeater im britischen Parlament einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung des assistierten Suizids vorstellen. Der Entwurf zielt darauf ab, unheilbar kranken Erwachsenen, die voraussichtlich weniger als sechs Monate zu leben haben, die Möglichkeit zu geben, ihr Leben unter ärztlicher Aufsicht zu beenden. Eine zweite Lesung findet Ende November statt, der Entwurf könnte noch dieses Jahr im Unterhaus zur Abstimmung gebracht werden. Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ergab im Sommer 2023, dass eine deutliche Mehrheit der Briten den assistierten Suizid unter bestimmten Bedingungen befürwortet.
Nach der derzeitigen Gesetzeslage im Vereinigten Königreich ist assistierter Suizid illegal. Gemäß dem Suicide Act 1961 kann es mit bis zu 14 Jahren Gefängnis bestraft werden, einer Person Hilfe zum Suizid zu leisten. Diese Regelung gilt für England, Wales und Nordirland, während in Schottland das Strafrecht ähnlich strenge Verbote für assistierten Suizid vorsieht. Euthanasie, das aktive Beenden eines Lebens durch einen Arzt, wird weiterhin als Mord oder Totschlag betrachtet und bleibt ebenfalls strafbar. Beides wird von dem geplanten Gesetzesentwurf nicht berührt.
Widerstand von Kirchen und Behindertenvertretern
Widerstand gegen den Gesetzesentwurf erfolgt vor allem aus den Reihen von Behindertenvertretern und der Kirchen. Die Organisation Not Dead Yet UK (NDY UK) warnt davor, dass das Gesetz besonders für behinderte Menschen und andere gefährdete Gruppen erhebliche Risiken birgt. Die Organisation befürchtet, dass es zu Druck und Zwang kommen könnte, insbesondere gegenüber Menschen, deren Leben ohnehin als weniger wertvoll erachtet wird. Sie argumentiert, dass es unmöglich sei, wirklich wasserdichte Schutzmaßnahmen zu implementieren, um solche Risiken zu verhindern.
In einem am Wochenende veröffentlichten Hirtenbrief äußert Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster, erhebliche Bedenken gegenüber dem Gesetzesentwurf und ruft Katholiken dazu auf, aktiv in die Debatte einzubringen, mit ihren Abgeordneten zu sprechen und sich für eine Stärkung der Palliativpflege einzusetzen. Der Kardinal warnt davor, dass in allen Ländern, in denen assistierter Suizid legalisiert wurde, die Regelungen zunehmend ausgeweitet wurden, sowohl in Bezug auf den Personenkreis als auch auf die Formen der Sterbehilfe.
Vom „Recht zum Sterben“ zur „Pflicht zum Sterben“
Zweitens verändere eine Legalisierung der Praxis auch die gesellschaftlichen Erwartungen. Ein „Recht zu sterben“ könne von den Betroffenen zunehmend als „Pflicht zum Sterben“ empfunden werden. Damit einher gehe die Gefahr, dass für Angehörige der Gesundheitsberufe die „Pflicht der Fürsorge“ zu einer „Pflicht zum Töten“ werde. Drittens hebt Nichols hervor, dass das menschliche Leben ein Geschenk Gottes sei und dass das Ignorieren dieser Wahrheit die menschliche Würde verringere. Der assistierte Suizid stehe „eindeutig im Widerspruch zu einer grundlegenden Wahrheit: Unser Leben ist nicht unser Eigentum, über das wir nach eigenem Gutdünken verfügen können. Dies ist keine Wahlfreiheit, die wir uns nehmen können, ohne gleichzeitig die Grundlagen des Vertrauens und der gemeinsamen Würde zu untergraben, auf denen eine stabile Gesellschaft beruht.“
Aktuelles Gesetz sei „grausam und ungerecht“
Die Vorstellung des Gesetzesentwurfs wird von langjährigen Befürwortern, darunter prominente Persönlichkeiten wie die Moderatorin Dame Esther Rantzen, unterstützt, die selbst an einer unheilbaren Krankheit leidet. Sie plädiert für das Recht auf ein „würdevolles Sterben“. Gegenüber dem „Guardian“ beklagt Kim Leadbeater selbst den durch das aktuelle Verbot des assistierten Suizids „herzzerreißenden Mangel an Wahlfreiheit für diejenigen, die wissen, dass ein unerträglicher und schmerzhafter Tod bevorsteht, die aber keine Macht darüber haben, wann oder wie er eintritt“.
Das aktuelle Gesetz könne „grausam und ungerecht“ sein, nicht nur gegenüber den Betroffenen selbst, sondern auch ihren Angehörigen. „Das Parlament sollte jetzt in der Lage sein, eine Gesetzesänderung in Erwägung zu ziehen, die den Menschen in den letzten Monaten ihres Lebens Sicherheit und Erleichterung – und vor allem Würde und Wahlfreiheit – bieten würde.“ Gleichzeitig sprach Leadbeater sich dafür aus, im Gesetz Schutzmechanismen zu verankern, die verhindern sollen, dass Menschen unter Druck gesetzt werden, sich für den assistierten Suizid zu entscheiden. DT/fha
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