Gastkommentar: Marshall-Plan für den Irak

Um christliches Leben in der Region dauerhaft möglich zu machen, sind viele Schritte notwendig. Die Verfassung muss reformiert werden, um allen Bürgern gleiche Rechte zu garantieren. Von Philipp Hildmann

Wie die Sintflut war der „Islamische Staat“ 2014 über Syrien und den Irak hereingebrochen und hatte unvorstellbare Gräueltaten verübt. Die Gemeinschaft der Jesiden war über Nacht von einem Genozid bedroht. Auch die Christen sahen sich gezwungen, zu Tausenden aus ihren historischen Siedlungsgebieten zu fliehen. Erst 2017 gelang es einer Internationalen Allianz, den IS im Irak militärisch niederzuringen. Auch in Syrien zeichnet sich diese Tage seine endgültige Zerschlagung ab. Zurück bleibt eine physische und psychische Trümmerlandschaft. Für den Irak lieferte der chaldäische Patriarch von Babylon, Kardinal Sako, am Wochenende konkrete Zahlen. Auf Einladung der Hanns-Seidel-Stiftung war er für die Sicherheitskonferenz nach München gekommen. Mehr als 1 200 Christen, so seine Bilanz, sind in diesem Konflikt ermordet worden. Über eine Million hat das Land verlassen. Mehr als 120 000 mussten über Nacht aus ihren Häusern in Mossul, al-Hamdaniya und weiteren Orten fliehen und leben aktuell in Flüchtlingscamps in der Region. Wie sieht ihre Zukunft aus? Um christliches Leben in der Region dauerhaft möglich zu machen, sind viele Schritte notwendig. Die Verfassung muss reformiert werden, um allen Bürgern gleiche Rechte zu garantieren. In den Schulen muss ein friedliches Nebeneinander gelehrt werden. Religionsbehörden müssen für eine sinngemäße, nicht eine wörtliche Auslegung der heiligen Schriften eintreten. Auch die internationale Gemeinschaft ist gefordert. „Westliche Politiker“, so Sako, „sollen aufhören, nur ihre eigenen Zwecke auf Kosten der Region zu verfolgen. Die USA und die Internationale Gemeinschaft müssen mit der irakischen Regierung zusammenarbeiten, um durch die Schaffung einer starken Zivilgesellschaft alle Iraker auszusöhnen. Wir brauchen einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Marshall-Plan, um zu genesen und uns zu stabilisieren.“

Der Autor ist Leiter Strategieentwicklung und Grundsatzfragen der Hanns-Seidel-Stiftung und hat die Patriarchen aus Syrien und Irak bei der aktuellen Münchner Sicherheitskonferenz begleitet.

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