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Er wurde die Geister nicht mehr los

Kevin McCarthy stürzt über jene radikalen Republikaner, die er selbst stark gemacht hat. Mit einer Partei in diesem Zustand ist keine Politik zu machen.
Kevin McCarthys Sturz und das Chaos der Republikaner
Foto: IMAGO/Branden Camp (www.imago-images.de) | Dass ein Sprecher des Repräsentantenhauses gestürzt wird, hatte es zuvor noch nie gegeben. Doch der Vorgang offenbart schonungslos den Zustand der Republikanischen Partei.

Wäre als Begleitmusik zu Kevin McCarthys Aufritt vor der Presse Edith Piafs Chanson-Klassiker „Je ne regrette rien“ gespielt worden, es wäre die perfekte Untermalung gewesen: Da stand der soeben vom mächtigen Amt des Sprechers des US-Repräsentantenhauses gestürzte Republikaner und erklärte mit einer Mischung aus Trotz und bemühtem Lächeln, er bereue nichts. Er bereue es nicht, immer verhandlungsbereit gewesen zu sein. Immer Koalitionen gesucht zu haben. Immer nach Lösungen gesucht zu haben. Und so scheide er mit Stolz, Optimismus und dem Glauben an sein Land aus dem dritthöchsten Staatsamt. Ob McCarthy selbst glaubte, was er da erzählte?

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Kurz zuvor war er über die wohl kühnste und folgenschwerste Revolte der jüngeren republikanischen Parteigeschichte gestolpert. Eine Minderheit republikanischer Abgeordneter vom radikalen rechten Rand hatte ihm die Gefolgschaft verweigert, unter anderem da er einen Kompromiss mit den Demokraten eingefädelt hatte, um die Regierungsgeschäfte am Laufen zu halten.

Die Republikaner stehen vor einem Scherbenhaufen

Dass McCarthy sich zuletzt als kompromissbereiter Zentrist in seiner Partei präsentierte, ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Vielmehr ähnelte er dem Zauberlehrling, der die Geister nicht mehr loswird, die er selbst gerufen hat. Sein Amt stand von dem Zeitpunkt an auf tönernen Füßen, als er sich der radikalen Minderheit in seiner Fraktion unterwarf, um sich die Macht zu sichern. Mochten die Zugeständnisse noch so groß sein – für das einflussreiche Amt des Sprechers war der 58-Jährige bereit, Moral, Werte und Ansehen seiner Partei zu opfern. Am Ende war die Not nur allzu groß. Und da McCarthy über keine Möglichkeit verfügte, die Geister loszuwerden, wurden diese kurzerhand ihn los.

Dass ein Sprecher des Repräsentantenhauses gestürzt wird, hatte es zuvor noch nie gegeben. Doch der Vorgang offenbart schonungslos den Zustand der Republikanischen Partei. Die steht jetzt vor einem Scherbenhaufen. Und das Land muss mit den gravierenden innen- wie außenpolitischen Konsequenzen leben.

Dabei bräuchten die USA so dringend ein stabiles Parlament: um einen langfristigen Haushalt zu verabschieden, um über die Verteilung finanzieller Mittel zu entscheiden, die zur Lösung drängender Konflikte benötigt werden. Innenpolitisch beispielsweise die anhaltende Migrationskrise an der Südgrenze zu Mexiko, bei der die Regierung von US-Präsident Joe Biden noch immer keinen Schritt weitergekommen ist. Außenpolitisch steht die so wichtige Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor Russland auf dem Spiel.

Der Minderheit geht es nur ums Chaos

Lange war es hauptsächlich die parteipolitische Zerstrittenheit von Demokraten und Republikanern, die das Land lähmte. Derzeit ist es vielmehr das parteiinterne Chaos bei den Republikanern. Auch fast drei Jahre nach seiner Abwahl scheint der Ex-Präsident Donald Trump über Wohl und Wehe der Partei zu bestimmen. Die vernünftigen, Trump-kritischen Vertreter der Republikaner haben es nicht vermocht, ein ernstzunehmendes Gegengewicht zu schaffen. 

Und so ernten die Republikaner nun, was sie säen, seitdem sie Trumps demokratieverachtende, letztlich auch die Partei verachtende Politik tolerieren: Eine radikale Minderheit, der es nur ums Chaos geht, nicht um politische Inhalte, nicht um die Interessen der amerikanischen Bürger, kann mit dem immer noch überwiegenden Teil der moderaten Republikaner Katz-und-Maus spielen. Ob die Wähler das goutieren, werden die nächsten Wahlen zeigen.

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