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EKD schlägt Fristenregelung bis zur 22. Woche vor

EKD veröffentlicht eigene Stellungnahme zum § 218 StGB. Eine Schwangerschaft müsse als ein „Lebensverhältnis eigener Art“ verstanden werden.
Protest gegen §218
Foto: Christian-Ditsch.de via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | „Die EKD tritt dafür ein, Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren“, heißt es in einer Stellungnahme.

Nachdem der Verband „Evangelischer Frauen in Deutschland“ (EFiD) Anfang der Woche die Streichung des Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch gefordert und angekündigt hatte, seine Beschlüsse „sowohl in die Arbeitsgruppe 1 der Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin der Bundesregierung als auch in die Meinungsbildungsprozesse der Diakonie Deutschland sowie in die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im November in Ulm einbringen“ zu wollen, hat sich heute die EKD selbst zu Wort gemeldet. „Die EKD tritt dafür ein, Regulierungen des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts zu formulieren“, heißt es zu Beginn einer heute veröffentlichten „Stellungnahme des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland“ an die von der Bundesregierung errichteten Kommission für reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin.

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Mit der 8-seitigen Stellungnahme entwickele die EKD „ihren bisherigen Ansatz fort, den Schutz des Lebens – auch des ungeborenen – zu ermöglichen und zu unterstützen“, heißt es in der Stellungnahme. Und weiter: „Diese Fortschreibung berücksichtigt eine gesellschaftliche Entwicklung, die die Perspektive der schwangeren Person und ihre reproduktiven Rechte stärker in den Blick nimmt und auch im internationalen Recht Ausdruck gefunden“ habe. Gleichzeitig halte die EKD es „für wichtig, nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch die Gesellschaft stärker für den Schutz des ungeborenen Lebens in die Pflicht zu nehmen und die Verantwortung hierfür nicht, wie nach der geltenden Regelung, primär der Frau zu übertragen.“ Dabei gehe es dem Rat der EKD „um einen größtmöglichen effektiven Schutz des Lebens“.

 „Wechsel der Betrachtungsweise“ nötig

Nach Ansicht des Rates der EKD brauche es einen „Wechsel der Betrachtungsweise, die zunächst nach der gelebten Mitverantwortung von Staat und Gesellschaft für Elternschaft“ frage. Schwangere Frauen und Paare müssten „Rahmenbedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, sich auch dann für ein Kind entscheiden zu können, wenn die Schwangerschaft ungeplant war oder sich die Perspektiven der Frau oder des Paares im Laufe der Schwangerschaft verändert haben, z. B. durch wirtschaftliche Not, Partnerverlust oder auch pränataldiagnostische Befunde“. Für die EKD rückten deshalb „die sozialpolitischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen an den Anfang aller Überlegungen“ und „die Frage der (straf-)rechtlichen Sanktionierung eines Abbruchs, zu dem Frauen in der Situation einer ungewollten Schwangerschaft keine Alternative sehen, an ihr Ende“.

Eine Schwangerschaft sei ein „Lebensphänomen und -verhältnis eigener Art“, für welches „es weder lebensweltliche noch rechtliche Analogien“ gebe. „Die schwangere Frau und das ungeborene Leben bilden weder zwei eigenständige Entitäten, die sich gegenüberstehen, noch ist das ungeborene Leben ,nur‘ Teil des Körpers der Schwangeren.“ Jede gesetzliche Regelung müsse „diesem Verhältnis sui generis gerecht werden“. Aus Sich des Rates der EKD „wäre es konsequent, im Einklang mit dem Aktionsprogramm der Weltbevölkerungskonferenz in Kairo (1994) und der UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), den Schutz des Lebens durch die Stärkung der (Menschen)Rechte der Frau sicherzustellen“.

Plädoyer für ein „abgestuftes Lebensschutzkonzept“

Schwangerschaften unterlägen „einem dynamischen Entwicklungsprozess“, was „ein abgestuftes Lebensschutzkonzept denkbar werden“ lasse. „Eine verantwortungsethische Bearbeitung eines Schwangerschaftskonflikts“ könne „sich nicht darauf beschränken, einen normativen Widerstreit zwischen Lebensrecht des ungeborenen Lebens und Selbstbestimmungsrecht der Frau zu identifizieren. Stereotype Alternativen wie ,pro life‘ versus ,pro choice‘“ stellten eine unzulässige Verkürzung der Sachlage dar.

„Die Stärkung der Perspektive der Frau und ihrer reproduktiven Rechte“ dürfe „allerdings nicht dazu führen, dass das – jedenfalls ethisch zu postulierende – grundsätzliche Recht auf Leben und der daraus folgenden Schutzstatus des werdenden Lebens bereits ab dem Zeitpunkt der Empfängnis negiert werden“. Der Rat der EKD gehe „davon aus, dass dem Recht des Ungeborenen auf Leben in der Abwägung mit dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren mit fortschreitender Schwangerschaft zunehmendes Gewicht einzuräumen ist“. Deshalb spreche er sich „für eine abgestufte Fristenkonzeption mit Unterscheidung verschiedener Schwangerschaftsstadien aus, die im Detail – nicht nur innerevangelisch – näher diskutiert werden“ müsse. Eine „vollständige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs“ halte die EKD „vor dem Hintergrund der Verpflichtungen des Staates für den Schutz des Lebens für nicht vertretbar.“ Solle der Schutz des Lebens nicht „leerlaufen“, sei er „immer auch strafrechtlich bewehrt zu regeln“.

EKD hält Straffreiheit für Abtreibungen bis zur 22. Woche p.c. für möglich

Aus „guten Gründen“ werde „z.B. der Totschlag einer schwangeren Person“ anders gewichtet „als der Totschlag einer Person, die nicht schwanger ist“. Spätestens „ab der extrauterinen Lebensfähigkeit“, die „üblicherweise bei der 22. Schwangerschaftswoche p.c. angesetzt“ werde (p.c. = post conceptionem, dt.: nach der Empfängnis), sollte daher „ein Schwangerschaftsabbruch strafrechtlich geregelt und nur in klar definierten Ausnahmefällen zulässig sein“.

Ferner plädiert der Rat der EKD in der Stellungnahme für die Beibehaltung der Beratungspflicht, da diese „die Autonomie von Frauen stärken“ könne, insbesondere solcher, „deren Selbstbestimmungsrecht durch ökonomische Abhängigkeiten“ oder „Strukturen“ eingeschränkt seien, die ihre „Freiheitsansprüche in Frage“ stellten.  DT/reh

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