Dass einige der zahlreichen Dekrete, die der neue US-Präsident Donald Trump in seinen ersten Tagen im Amt erlassen hat, juristisch angefochten werden, war abzusehen. Ein Präsidialerlass wurde nun erst einmal richterlich auf Eis gelegt: Ein Richter im Bundesstaat Washington blockierte Trumps Pläne, das in der Verfassung verbriefte Recht auf Erhalt der US-Staatsangehörigkeit per Geburt, die sogenannte „Birthright Citizenship“, einzuschränken. Das entsprechende Dekret sei „eklatant verfassungswidrig“, erklärte John C. Coughenour, Richter am Bundesbezirksgericht für den westlichen Bezirk des Staates Washington. Trump kündigte bereits an, gegen die Entscheidung in Berufung zu gehen.
Von Anfang an war das Dekret zum Staatsangehörigkeitsrecht auf besonders vehemente Opposition gestoßen: Insgesamt 22 US-Bundesstaaten und mehrere Bürgerrechtsorganisationen hatten Klage dagegen eingereicht. Ihre Argumentation: Das Recht auf Staatsangehörigkeit, das im 14. Verfassungszusatz festgehalten ist, gelte automatisch, weder der Präsident noch der Kongress hätten die Autorität, daran etwas zu ändern. Experten gehen davon aus, dass die nun erlassene richterliche Blockade nur den Auftakt zu einem langwierigen rechtlichen Tauziehen um die Trumps Einwanderungspolitik bilden wird. Über Trumps Vorhaben, das Staatsangehörigkeitsrecht einzuschränken, könnte final womöglich erst der Oberste Gerichtshof der USA entscheiden.
Richter nennt Pläne „außergewöhnlich und extrem“
Die Versuche des republikanischen Präsidenten, das Recht auf die amerikanische Staatsangehörigkeit per Geburt einzuschränken, seien „außergewöhnlich und extrem“, erklärte der Justizminister des Bundesstaates New Jersey, Matthew Platkin, der federführend am rechtlichen Vorgehen gegen Trumps Dekret beteiligt war. Präsidenten seien mächtig, aber keine Könige. „Er kann die Verfassung nicht mit einem Federstrich umschreiben.“
Der im Jahr 1868 verabschiedete 14. Verfassungszusatz besagt, dass alle Personen die in den Vereinigten Staaten geboren wurden und deren Gerichtsbarkeit unterliegen, Bürger der Vereinigten Staaten sind. In ihrem umstrittenen Dekret behauptet die Trump-Regierung allerdings, dass die sogenannte „Birthright Citizenship“ schon immer Personen ausgeschlossen habe, die nicht unter die US-Gerichtsbarkeit fielen. Zu dieser Gruppe zählten laut dem Dekret Personen, deren Mutter sich illegal in den Vereinigten Staaten aufhielt, und deren Vater kein amerikanischer Staatsbürger sei oder zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes keine rechtmäßige dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung besitze. Diese Beschreibung trifft de facto auf Einwanderer ohne Papiere zu.
Von dem Dekret wären allerdings auch Kinder betroffen, deren Mütter nur über eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis verfügen, wie beispielsweise Touristen, Studenten oder Personen mit Arbeitsvisum. Der Oberste Gerichtshof der USA, der „Supreme Court“, machte bislang keinen Unterschied zwischen Kindern, deren Eltern sich legal in den USA aufhielten und solchen, deren Eltern keinen legalen Aufenthaltstitel besitzen.
„Ein politischer Akt, kein Rechtsakt“
Wie ist Trumps Präsidialerlass vor diesem Hintergrund zu bewerten? Der in Pittsburgh geborene Rechtswissenschaftler Kirk Junker verweist gegenüber dieser Zeitung auf den Fall „United States v. Wong Kim Ark“ aus dem Jahr 1898. In seinem Urteil habe der Oberste Gerichtshof bestätigt, „dass in den USA geborene Kinder von Einwanderereltern Anspruch auf die US-Staatsbürgerschaft haben“. Der Präsident könne eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nicht aufheben. „Jeder Versuch, dies zu behaupten, ist ein politischer Akt, kein Rechtsakt“, so Junker, der an der Universität zu Köln US-amerikanisches Recht lehrt.
Darüber hinaus verweist Junker darauf, dass man auch die Natur einer „Executive Order“ berücksichtigen müsse. Der Präsident sei „kein Premierminister, er ist der oberste Exekutiv-CEO“, dessen Aufgabe es gemäß der Verfassung sei, „dafür zu sorgen, dass die Gesetze gewissenhaft ausgeführt werden“. Ein Präsidialerlass sei kein Gesetz. Nur der Kongress könne ein solches erlassen. „Der Präsident kann die Verfassung, ein Gesetz oder die Auslegung der Verfassung oder des Gesetzes durch das Gericht nicht durch eine Executive Order ändern – er kann nur eine Verfassungsbestimmung durchsetzen, wie sie vom Kongress erlassen und bereits von den Gerichten interpretiert wurde“, betont Junker.
Dass das Dekret zum Staatsangehörigkeitsrecht schon bald die Gerichte beschäftigen würde, dürfte der Trump-Regierung bewusst gewesen sein. Obwohl die Rechtslage bislang als eindeutig galt, ist noch nicht abzusehen, wie sich der aufziehende Rechtsstreit entwickeln wird. Während seiner ersten Amtszeit hatte Trump Hunderte konservativer Richter berufen, nicht zuletzt drei am Obersten Gerichtshof, die in der Vergangenheit bereits mehrfach in seinem Sinne urteilten, nicht zuletzt in der Frage der Immunität des Präsidenten vor Strafverfolgung.
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