Bis zuletzt hatten die Europäer versucht, einer Verhandlungslösung Raum zu verschaffen und auf Deeskalation zu setzen. Mit seinem direkten militärischen Eingreifen im Iran hat US-Präsident Donald Trump den Europäern einen Strich durch die Rechnung gemacht. Während die Außenminister Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands sowie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Genf auf Diplomatie gegenüber Teheran setzten, bereitete Trump mit Israels Premierminister Netanjahu bereits den ultimativen Luftschlag gegen die iranischen Atomanlagen vor.
Wie immer man Trumps Vorgehen militärisch und politisch beurteilt, lautet die erste Lektion aus diesem Vorgehen: Es gibt keinen „Westen“ mehr. Washington stimmt sich mit Israel ab, aber nicht mit Großbritannien und der Europäischen Union. Zwei Tage vor dem Beginn des NATO-Gipfels ist das keine gute Botschaft für uns, aber eine tolle Nachricht für Wladimir Putin und Xi Jinping.
Die zweite Lektion lautet: Donald Trump ist keineswegs ein Isolationist, sondern vertritt das, was er für Amerikas Interesse hält, global mit robusten Mitteln und gerne auch im Alleingang. Die Vereinten Nationen, das Völkerrecht und die Partner der USA spielen dabei keine Rolle. Der Präsident, der als Friedensstifter in die Geschichte der USA (und die Liste der Nobelpreisträger) eingehen wollte, ist zu militärischer Initiative bereit. Und seine Risikobereitschaft ist dabei enorm, denn die weltweite Terrorgefahr ist damit ja nicht gebannt, sondern höher denn je. Nicht nur die unmittelbare regionale Eskalationsgefahr ist – trotz der massiven Schwächung des Iran und seiner Verbündeten – nun akut, sondern auch das Risiko, dass der Iran oder seine schiitischen Sympathisanten nun israelische, amerikanische oder einfach „westliche“ Ziele irgendwo auf der Welt zum legitimen Terrorziel erklären.
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