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Die französischen Impfgegner unter die Lupe genommen

Verschwörung der Dummköpfe. L’Incorrect analysiert die Szene der französischen Impfgegner und übt heftige Kritik. Gegen den Gesundheitsdarwinismus.
Coronavirus - Frankreich
Foto: Alain Jocard (AFP) | Das konservative französische Magazin L’Incorrect analysiert die französischen Impfgegner. Im Bild: Demonstranten auf der «Droits de l'homme»-Esplanade am Trocadero-Platz gegen die Impfpflicht.

Das konservative französische Magazin L’Incorrect übt scharfe Kritik an einer „Verschwörung der Dummköpfe“, wie es im Titel des Essayisten Loup Viallet heißt. 
„Von einem Fanatismus zum nächsten“, geißelt Viallet die Anti-Impfbewegung. Nach dem Import und der Verbreitung einer „woken“ Ideologie in Frankreich durch die amerikanische „Cancel Culture“ im vergangenen Jahr sei nun ein weiterer „Fanatismus“ aufgetaucht, „der ebenso obskurantistisch und paranoid“ sei. Die „Anti-Impfbewegung wendet sich dem unwissenschaftlichen Diskurs zu, ist bestrebt, die Massen unter ihre Verschwörungsthesen zu versammeln und drängt der Mehrheit die Unbesonnenheit ihrer Verantwortungslosigkeit auf“.

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Risiko der Ablehnung

Im vergangenen Monat stellten laut der staatlichen Organisation DREES (Direction de la Recherche, des Études, de l’Évaluation et des Statistiques), „die Ungeimpften (8 % der Franzosen) 42 % der Krankenhauseinweisungen, 54 % der Intensivpatienten und 39 % der Sterbefälle dar“, erklärt Viallet. Damit bestimme die Anti-Impfbewegung „die nationale Immunisierungsstrategie: Es wird die natürliche Selektion sein. Es gibt zwei Arten der Immunisierung gegen ein Virus: sich anzustecken (und zu überleben) und sich impfen zu lassen. Das Institut Pasteur, an dem 1961 die messenger-RNA entdeckt wurde (was dem Biologen François Jacob 1965 den Nobelpreis in Medizin eintrug) hat ermittelt, dass die Impfung das Hospitalisierungsrisiko um 95 % und die Gefahr der Weitergabe des Virus um 50 % reduziert“.

Indem die Impfgegner die Impfung ablehnten, gingen sie nicht nur für sich alleine ein Risiko ein und auch nicht nur für die Kapazitäten der Intensivstationen der Krankenhäuser. Sie trügen auch dazu bei, dass sie 17 Millionen französische Risikopatienten der Gefahr aussetzen, sich mit dem Virus zu infizieren, meint Viallet. Zudem gebe es noch mehr immungeschwächte Patienten auf den Reanimationsstationen als Ungeimpfte. „Wie viele von ihnen werden am Ende des Jahres noch am Leben sein? Sie zählen auf die gemeinsame Verantwortung, um lebend aus der Pandemie herauszukommen – und nicht auf den Gesundheitsdarwinismus der Impfgegner“.

Obskure Anwälte

Die „woke“ Ideologie sei bestrebt, unsere Statuen zu stürzen, heißt es weiter in L’Incorrect, „die Anti-Impfbewegung würde gern den wissenschaftlichen Konsens und die Wortmeldungen der größten Forscher unseres Landes in Misskredit bringen“. Impfgegner vertrauten lieber den Worten „obskurer Anwälte, deren sophistische Verschwörungsreden die Geimpften als unterwürfige Schafe darstellen, die von ‚Big Pharma‘ in den Schlachthof geführt werden“.

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Eckpfeiler des Anti-Impfdiskurses - „der Glaube an die Post-Wahrheit sowie die systematische Inanspruchnahme der Dramatisierung“ – trügen schließlich dazu bei, „die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit umzulenken, indem man ihr imaginäre Skandale präsentiert, gegen die man rebellieren müsse“. Der Impfpass, der den Zugang zu bestimmten Orten regelt, solle so eine „Gesundheitsapartheid“ einführen, er unterminiere „die demokratischen Prinzipien der Republik“ und leite den Eintritt Frankreichs in ein „totalitäres Regime“ ein, wie manche Impfgegner meinen.

Was zu tun ist

Viallet nimmt in seinem Beitrag die Rückschau auf das Jahr 2022 vorweg, wenn er schreibt, dass die Schlagzeile eines Resumés dann lauten könnte „Die Lehren aus der Anti-Impfbewegung für eine Gesellschaft, die einem wiederholten Risiko einer systemischen Krise ausgesetzt ist“. Darin wäre dann die Rede über „die Auswirkungen des Einflusses des antirationalistischen Diskurses und des Ranges von Aktivisten eines Individualismus, die jegliche Form von Beeinträchtigungen ihres persönlichen Genusses angesichts eines ebenso unvorhersehbaren Schocks wie dem Auftreten der Covid 19-Pandemie ablehnen. Letztere hat eine immer mehr voneinander abhängige und konfliktbeladene Welt offenbart“. Angesichts möglicher weiterer Schocks – energetischer, militärischer oder finanzieller Art – fragt er schließlich: „Doch was wird man tun, um noch schlimmere kollektive Bedrohungen zu überwinden, wenn eine Minderheit das Überleben der Mehrheit ungeniert gefährdet?“ DT/ks

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