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Die Demokraten haben sich verzettelt

Biden erklärt die Abtreibungsfrage zum entscheidenden Wahlkampfthema – doch die Wähler sehen das anders. So steuern die Demokraten auf eine Niederlage zu.
Biden erklärt die Abtreibungsfrage zum entscheidenden Wahlkampfthema
Foto: (www.imago-images.de) | Biden könnte schon zur Halbzeit seiner ersten Amtszeit in seinem Handlungsspielraum massiv eingeschränkt werden.

Hätte es eines weiteren Belegs bedurft, wo die US-Demokraten im Jahr 2022 in Sachen Abtreibung stehen, erbrachte ihn Joe Biden am Dienstag: Vor einigen Parteimitgliedern in Washington bekräftigte er aufs Neue, ein landesweites „Recht“ auf Abtreibung etablieren zu wollen – falls die Demokraten die Anfang November anstehenden Zwischenwahlen gewinnen sollten.

Seit der Oberste Gerichtshof vor vier Monaten das umstrittene Urteil „Roe vs. Wade“ kippte und den Bundesstaaten die Hoheit über Abtreibungsgesetze zurückgab, haben die Demokraten Abtreibung zum Wahlkampfthema Nummer Eins erklärt. Ihre Hoffnung: insbesondere Frauen und junge Wähler zum Urnengang zu mobilisieren.

Die Strategie der Demokraten zieht nicht

Diese Strategie zieht aber nicht. Bidens Popularitätswerte sind im Keller, die kriselnde Wirtschaft und die steigende Inflation sind die Themen, die den Wählern die größten Sorgen bereiten. Einer aktuellen Umfrage der „New York Times“ zufolge sehen nur fünf Prozent das Thema Abtreibung als drängendstes Problem. Der von den Demokraten erwartete Mobilisierungsschub dürfte somit wohl ausbleiben.

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Ganz abgesehen davon, dass die zunehmenden Extrempositionen in der Abtreibungsfrage, die Biden und seine Parteikollegen seit einiger Zeit einnehmen, nicht einmal bei der eigenen Klientel auf ungeteilten Zuspruch stoßen. Immer wieder belegen Umfragen, dass eine Mehrheit der Amerikaner durchaus offen ist für Einschränkungen beim Zugang zu Abtreibung. Führende Parteimitglieder sprechen jedoch immer wieder von einem landesweiten „Abtreibungsrecht“, im Idealfall mit den geringstmöglichen Hürden. 

Die Präsidentenpartei verzettelt sich gerade heftig. Falsche Themensetzung, falsche Positionierung. Die Konsequenz: Biden könnte schon zur Halbzeit seiner ersten Amtszeit in seinem Handlungsspielraum massiv eingeschränkt werden. Aus lebensrechtlicher Sicht muss man darüber nicht trauern. Allerdings entwickeln sich auch die Republikaner immer mehr zu einer Partei der Extreme, die sich nicht aus dem Griff des Ex-Präsidenten Trump befreien kann. Viele Amerikaner werden vor der Abstimmung wieder einmal feststellen: Sie müssen sich für das geringere von zwei Übeln entscheiden.

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Maximilian Lutz Abtreibungsrecht Joe Biden

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