„Die deutschen Bischöfe treten weiterhin für den Erhalt des bestehenden gesetzlichen Schutzkonzeptes nach §§ 218 ff. StGB in Verbindung mit dem Schwangerschaftskonfliktgesetz ein. Es schützt sowohl Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau wie das ungeborene Kind und trägt der besonderen Beziehung von Mutter und Kind in der Schwangerschaft (‚Zweiheit in Einheit‘) Rechnung.“ Das erklärte heute der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp, in Berlin.
Mit der Stellungnahme reagiert die DBK auf einen ebenfalls heute in Berlin vorgestellten Gesetzesentwurf, der vorgeburtliche Kindstötungen bis zum Ende der 22. Schwangerschaftswoche „rechtmäßig“ stellen will. Das ungeborene Kind wäre demnach bis zu 24 Wochen alt. Als außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig gelten Frühgeborene heute ab der 23. Woche.
Bischöfe widersprechen dem Framing der Abtreibungsbefürworter
Der 43 Seiten umfassende Gesetzesentwurf wurde vom Bundesverband Pro Familia und 25 weitere Organisationen in Auftrag gegeben. Wie es in einer heute veröffentlichten gemeinsamen Pressemitteilung der 26 Organisationen, zu denen neben Abtreibungsaktivisten wie „Doctors for Choice Germany“, „Women on Web International“ und „Medical Students for Choice“ auch die Gewerkschaft „verdi“, „Amnesty International Deutschland“ sowie die „Evangelischen Frauen in Deutschland“ und der „Zentralrat der Konfessionsfreien“ zählen, heißt, sei der Gesetzesentwurf federführend von drei Mitgliedern der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ erarbeitet worden. Die vorgeschlagenen Regelungen basierten auf den Empfehlungen der Kommission, internationaler Menschenrechtsgremien und internationaler Gesundheitsleitlinien und berücksichtigen die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung.
Das sieht die DBK offenbar anders. Weder verpflichte das Völkerrecht zu einer außerstrafrechtlichen Regelung von Abtreibungen, noch stünden „rechtmäßige“ Abtreibungen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wie es in der Stellungnahme der DBK heißt, bestehe „bei einer außerstrafrechtlichen Regelung, wie sie nun zivilgesellschaftliche Organisationen vorschlagen“, „die erhebliche Sorge, dass damit der Anspruch auf gleichen Schutz von ungeborenem wie geborenem menschlichen Leben aufgegeben wird.“ Auch beim vorgeburtlichen Leben handele es sich von Anfang an um individuelles Leben. „Nach unserer christlichen Überzeugung kommen diesem Leben daher der gleiche Schutzanspruch und die gleiche Würde wie dem geborenen Leben zu. Auch das Bundesverfassungsgericht hat betont, dass spätestens mit der Nidation von einem menschlichen Leben auszugehen ist. Ihm ist der verfassungsrechtlich gebotene Schutz unabhängig vom Entwicklungsstadium zu gewähren. Ein nach Entwicklungsstufe und Lebensfähigkeit des Menschen abgestuftes Lebensschutzkonzept kann dieser Wertentscheidung des Verfassungsgerichts und der Schutzgarantie unserer Verfassung nicht gerecht werden“, so Kopp.
Caritas und SKF: Rechte von Schwangeren und Kindern ernst nehmen
„Für hochproblematisch und in sich widersprüchlich“ hielten die katholischen Bischöfe, „dass gerade die Schutzbedürftigkeit des Ungeborenen und sein völliges Angewiesensein auf die werdende Mutter eine Begründung für eine verminderte staatliche Schutzpflicht gegenüber dem ungeborenen Kind darstellen sollen“. Weiter heißt es: „Aus dem Völkerrecht folgt keine Verpflichtung zur außerstrafrechtlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs. Verlautbarungen von einfachen Vertragsausschüssen zur Auslegung von Völkerrechtsvereinbarungen kommt keine rechtliche Verbindlichkeit zu. Im Übrigen ist die geltende Regelung des Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland der Sache nach mit den völkerrechtlichen Anforderungen zum Schutz von Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau vereinbar.“
Zu Wort meldeten sich auch der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) und Deutscher Caritasverband. In einer gemeinsamen Pressemitteilung warben sie „mit Nachdruck für die Beibehaltung der Beratungspflicht im Schwangerschaftskonflikt und der geltenden Regelungen im Strafgesetzbuch“. Es bedürfe „eines Rechtsrahmens, der die schwangere Frau und ihr Kind in ihren Rechten gleichermaßen ernst nimmt“, so die Verbände. Nach Ansicht von Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa werde die Beratungspflicht „zunehmend unverzichtbar, um Paaren zur Seite zu stehen, die durch einen pränataldiagnostischen Befund von einer möglichen Behinderung ihres Kindes“ erführen. „Die Art und Weise, wie Pränataldiagnostik immer früher und immer regelmäßiger zum Einsatz kommt, setzt Paare einem hohen Entscheidungsdruck aus. Hier manifestiert sich längst eine Diskriminierung gegenüber behinderten Menschen und ihren Familien“, so Welskop-Deffaa.
Ende der Beratungspflicht, Übernahme der Kosten
Wie es in der Pressemitteilung der 26 Organisation heißt, rücke der Gesetzesentwurf „die eigenverantwortliche Entscheidung der Schwangeren in den Mittelpunkt. Die Beendigung einer Schwangerschaft auf ihr Verlangen wird bis zum Ende der 22. Woche der Schwangerschaft rechtmäßig gestellt. Die vorgeschlagenen Regelungen verankern das Recht Schwangerer, ohne Zwang zu entscheiden, welche Beratungsangebote und medizinischen Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen.“ Bislang bestehende „Zugangsbarrieren zum sicheren Schwangerschaftsabbruch in Form von Beratungspflicht, Wartefrist und fehlender Kostenübernahme“ entfielen.
Zum Schluss heißt es: „Wir fordern den Bundeskanzler, die Bundesministerinnen und Bundesminister und die Bundestagsabgeordneten aller demokratischen Parteien auf, den Schwangerschaftsabbruch noch in dieser Legislaturperiode neu zu regeln. Den Gesetzentwurf sehen wir als Impuls hierfür.“
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